- 36 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Die zwei Leben der Veronika handelt von den merkwürdigen, mysteriösen Verbindungen der Leben zweier physisch identischer junger Frauen, die zur selben Zeit am selben Ort geboren wurden. Die polnische Weronika sagt zu ihrem Vater: »Ich habe ein komisches Gefühl. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich bin nicht allein auf dieser Welt«, analog dazu gesteht die französische Véronique ihrem Liebhaber am Schluss des Films: »Ich hatte immer den Eindruck, gleichzeitig hier und anderswo zu sein. Ich weiß immer genau, was ich tun muss.« Beide haben eine Leidenschaft: Singen, beide haben eine Krankheit, einen Herzfehler. Weronika bricht bei einem Konzert, an dem sie als Solo-Sopranistin beteiligt ist, zusammen und stirbt. Weronika opfert sich für Véronique: Die eine stirbt, damit die andere am Leben bleibt. »Mystisch befrachtet er das romantische Doppelgängermotiv, wenn die eine zugunsten der anderen geopfert wird«, schreibt Lenz in Lenz (1991). Indem Véronique auf die Solistenkarriere verzichtet, lernt sie die Liebe und den Imaginationshorizont des Puppenspielers Alexandre kennen. Die Liebesgeschichte mit dem Puppenspieler: eigentlich eine Geschichte in der Geschichte, oder besser: ein Märchen im Märchen. Aber doch ist es unmerklich, nicht sehr stringent und bisweilen verheddert, mit dem Motiv der duplizierten Seele verknüpft: Am Ende trifft Véronique in der Werkstatt des Puppenspielers auf ihr Ebenbild – in zweifacher Ausführung. »It was not only in terms of its subject matter, however, that Véronique brought Kies lowski closer to the triumph of the Three Colours films, but it was also in terms of style[...] Although The Double Life of Véronique was in certain respects Kies lowski’s most enigmatic film, it did pave the way for the rather more accessible and, arguably, more assured study of abstract, seemingly inexplicable forces at work in the everyday world that was the Three Colours trilogy.«16

16 (Andrew, 1998, S. 19)

Kies lowskis Filme wurden vom einfach beobachtenden Realismus der Dokumentar- und frühen Spielfilme ständig komplexer, was Erzähl- und Ausdrucksmöglichkeiten angeht. »Stylistically and thematically, Véronique aligns itself with the European art film – . . . «, schreibt Peter Ruppert in (Ruppert1992, S. 65). Kies lowski gestaltete die Erzählstruktur in Véronique immer elliptischer, geheimnisvolle tiefgehende Bedeutungen zwischen Charakteren und Objekten wurden geschaffen. Stilistisch gesehen ist der Film kunstvoller geworden, indem eine größere Anzahl verschiedener Farben, Filter, Kameraeinstellungen und Blickwinkel benutzt wurde. Auch der Musik kommt, nicht nur in der Wahl der Berufe der beiden Protagonisten, eine größere Bedeutung zu: »We thought a lot about the music«, erzählte Kies lowski Danusia Stok.17

17 (Stok1993, S. 179)
Zu Recht schreibt Heike Kühn in Kühn (1991) von »Klangfolgen von meditativer Entrückung und dissonanter Lebensgier«, von einer Musik, die »sich in diesem Film als anima mundi, als Weltseele« behauptet. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt aufgrund der Textwahl Preisners, der der Musik ein Gedicht von Dante zu Grunde legte, obwohl dieses inhaltlich nichts mit dem Thema des Films zu tun hat. Für Preisner war es wichtig, eine Übersetzung des altitalienischen Gedichtes zu haben. »And what those words meant, what the text was about, probably inspired him to write the music«, berichtete Kies lowski Danusia Stok in (Stok1993, S. 179).

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