Einleitung
»Dies ist eine einzigartige Periode in der Geschichte der
Menschheit – der Wandel zur digitalen Technologie. Gehen wir
einmal davon aus, dass das nicht nur ein Ausrutscher ist, könnte
man vom Beginn einer neuen Epoche sprechen.
Es gibt Leute, die diesen Moment mit der Erfindung der
Druckerpresse vergleichen. Ich würde sogar sagen, er ist
vergleichbar mit der Erfindung der Schrift. Die digitale
Technologie bedeutet eine fundamentale Veränderung für unsere
Wahrnehmung und Handhabung von Informationen.«
|
JEFF
ROTHENBURG1
Jeff Rothenburg, zit. nach der Dokumentation Hilfe, wir verschwinden! Das digitale Desaster
(Regie: Jörg Daniel Hissen und Peter Moers; NDR 2003).
|
Aus damaliger Sicht war die Erfindung der Druckerpresse eine eher unscheinbare Innovation. Die
gewaltige Wirkung, die diese Erfindung haben sollte, war damals noch niemandem bewusst. Um
es zu pointieren: ohne Gutenbergs Erfindung hätte es keine Reformation und Gegenreformation,
keine Schulpflicht, keine Goethe-Gesamtausgaben, keine Zeitungen, keine Geldscheine und keine
Kontoauszüge, keine E-Mail, etc. gegeben, und so verwundert es nicht, dass Gutenberg auf einer
Liste der wichtigsten Persönlichkeiten des letzten Jahrtausends auf dem ersten Rang
erscheint.2
Der Stellenwert, den die Medientechnik im Allgemeinen einnimmt, kann nicht allzu hoch eingeschätzt werden.
Auch Marshall McLuhan3
ging schon im Jahr 1967 von der Grundüberlegung aus, dass das
Medium selbst und nicht so sehr sein Inhalt die eigentliche Botschaft
sei.4
Mit diesem Denk-Ansatz paraphrasiert McLuhan, ohne es wahrscheinlich zu wissen, ein
Wort Nietzsches, der sich aufgrund seiner extremen Kurzsichtigkeit als einer der ersten
Dichter und Denker eine Schreibmaschine anschaffte: »Unser Schreibzeug arbeitet mit
an unseren Gedanken.« Ausführlichere Informationen findet der interessierte Leser bei
[Kittler(1986)].
|
Eine
weitere Grundüberlegung McLuhans besagt, dass der Inhalt neuer Medien zumeist alte Medien
sind:5
Diese Grundüberlegung beschrieb McLuhan schon im Jahr 1964 in seinem legendären Buch ›Die
magischen Kanäle‹. Vgl. dazu [McLuhan(1982)].
|
Filme zeigen Theaterstücke oder Romane, im Radio werden Konzerte übertragen, auf einer CD
wird das gespeichert, was früher in einem Buch zu lesen oder auf einer LP zu hören war. Und
der Computer, der zu diesem zivilen Zweck nicht erfunden wurde, lässt sich als Schreibmaschine
verwenden, ohne die Bücher, wie die vorliegende Arbeit, heute gar nicht mehr denkbar
wären.
Wir haben es heute, ob wir fernsehen, Radio hören, ein Videospiel spielen, telefonieren,
Zeitung lesen, ins Kino gehen oder in einem Popkonzert sitzen, immer mit ein und derselben
Technologie zu tun, nämlich der Computertechnologie. Wenn diese Technologie hinter all den
Medien steckt, dann muss es auch einen gemeinsamen Nenner all dieser Medien geben: hinter
dieser Technologie steht die Digitalisierung sowie die damit einhergehende Globalisierung und
Virtualisierung6
und eines der wichtigsten Merkmale der
|