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- 2 - Ludwig Thoma: DAS VOLKSLIED


,,Ja' die Mädchen, die vom Dorfbrunnen Wasser holen -"

,,Mir hamm ja gor koan Dorfbrunna net..."

,,Nu also, bei einer anderen Gelegenheit, nach der Arbeit, wenn der Abend sinkt -"

,,Bei ins hat a jeda selm sein Brunna  ,,

 ,,Ich sage Ihnen ja, die Gelegenheit, bei der es geschieht, ist ganz Nebensache. Ich denke überhaupt an den Feierabend, wenn alt und jung vor den Türen steht "

,,Beim Schuastahansl waar scho a Brunna bei da Straß hiebei, aba dersell hat koa Wassa it  ,,

,,Ja... ja... lassen wir diese Brunnenfrage endgültig fallen. Ich möchte nur in Erfahrung bringen, was diese jungen Mädchen, verstehen Sie, Matheiser, welche Lieder sie singen?,,

,,Han?"

,,Und Sie sollen mir dabei helfen, Matheiser. Sie sollen mir die Texte verschaffen."

,,Han?"

,,Sie müssen mir aufschreiben oder aufschreiben lassen, Wort für Wort, was eure jungen Mädchen singen."

,,I?"

,,Jawohl, und ich will Ihnen genau sagen, wie Sie das machen müssen..."

,,Ja' was woaß denn i?"

,,Also, passen Sie auf! Nicht wahr, zum Beispiel, Sie hören die Anna oder die Liesel singen..."

,,Was für a Liesel?"

,,Irgendeine; ich meine irgendein Mädchen, das nächstbeste Mädchen hören Sie singen..."

,,Bal i aba koane hör'?"

Herr Doktor Habergais sah mit einem gramvollen Zug im Gesichte sein Gegenüber an, und er fühlte, wie eine nervöse Abspannung, ein prickelndes Gefühl den Rücken entlang seinen Eifer vermindern wollte; aber er gab sich einen Ruck, er lächelte, er klopfte Herrn Hirtner mit der flachen Hand auf die Schulter, obwohl sich ihm die Finger krümmten, obwohl sich ihm die Hand ballen wollte. ,,Verstehen Sie mich wohl, Matheiser, Sie hören schon eine, oder Ihr Nachbar hört eine, oder Ihre Frau hört eine.."

Habergais sprach jedes Wort scharf und gereizt aus. ,,Gut also, irgend jemand hört irgendeine"  es klang wie ein Befehl , ,,verstanden, dann gehen Sie zu ihr hin und sagen: Meine liebe Liesel.. .,,

Hier wollte nun Hirtner doch nicht länger schweigen.

,,Was für a Liesel?"

,,Herrgott Mensch! Matheiser, will ich sagen, Liesel, Anna, Marie, ganz wurscht, wie sie heißt; Sie sagen zu ihr: Mein liebes Mädchen"  Habergais machte hinter jedem Wort eine Pause und schrie das nachfolgende um so lauter , ,,mein liebes Mädchen, du hast soeben ein Lied gesungen. Welches ist der Inhalt desselben? Sprich mir die Worte vor, oder, noch besser, schreibe sie mir auf! Das sagen Sie zu ihr! Haben Sie mich verstanden, Matheiser?"

,,Na!"

Der Rechtsanwalt setzte sich und blickte zu Boden, während eine fliegende Hitzewelle von seinem Nacken über die Ohrlappen hinzog, während seine Stirnhaut pelzig wurde, bis dann ein


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