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- 3 - aus: Ketil Bjørnstad: Vindings Spiel

und hört zu, so wie ich ihr zugehört habe? Ich glaube es nicht. Sie ist in ihrer eigenen Welt. Sie wirkt ziemlich un­beeindruckt von dem, was geschieht.

Ich habe angefangen. Aber die Gedanken laufen weiter. Verwirrende Gedanken. Daß Vater und Cathrine im Saal sind. Sie sitzen in der fünften Reihe. Als ich mich ver­beugte, habe ich sie kurz erblickt, wie zwei Schatten. Ich mag es nicht, daß sie da sind.

Die Musik fordert mich. Endlich bin ich in ihr. Wie es Mutter gewollt hätte. Wie es Synnestvedt wünscht, ver­zweifelt, um seines Prestiges willen und weil er mich trotz allem liebt. Nach einigen Sekunden fühle ich, daß ich die Kontrolle habe, daß meine Hände nicht mehr zittern, daß es mir gelingt, die wogenden Arpeggien der linken Hand nicht aufdringlich oder schwülstig klingen zu lassen. Hin­ter allen Tönen Debussys steckt ein kühler Intellekt, ein Komponist, der Gefühlsduselei ablehnt. Mutter durch­schaute Gefühlsduselei immer. »Hör hin!« rief sie dann oft, wenn ein Konzert im Radio war. »Hör nur, wie er für die billigen Plätze spielt! Diese widerlichen Kunstpausen!« Ich bin jetzt an der Stelle, die am durchsichtigsten ist, dem tranceähnlichen Abschluß, wenn sich das Hauptthema wiederholt, aber mit einem entschiedenen Septimakkord. Eine kompositorische Meisterleistung, frech gestohlen von Edvard Grieg. Alle Komponisten haben voneinander gestohlen. Ich spüre, daß ich einen gewissen Punkt erreicht habe, aber noch nicht weit genug bin. Ich merke es an der Zustimmung im Saal, einer Stille, die sich nicht einstellt, ein Raum, der sich nicht öffnet, oder eine Farbe, die ich nicht sehe, wenn ich die Augen schließe. Der Alptraum je­des Musikers. Meine Zeit ist bald vorüber, und mein Glaube an Debussys Musik ist plötzlich angeknackst, ebenso wie mein Glaube an meine Interpretation. Ich setze den Septimakkord an, lasse ihn klingen; denn jede Musik


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