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- 2 - aus: Ketil Bjørnstad: Vindings Spiel

mand einen Wettbewerb gewinnen soll. Der Geruch nach beißendem Essig, nach verdorbenem Wein. Spiel sie in Trance, Aksel. Jetzt oder nie ist meine Chance. Debussys »Mondschein«. Ich habe das einzig Richtige ausgesucht, nach Anjas Bravournummer. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben. Anja war virtuos, aber wo blieb die Seele? Das zu zeigen ist meine Aufgabe. Anja hat sich für die Kaskaden entschieden, das Gewaltsame, Lebensbeja­hende. Ich dagegen werde sie anrühren mit meiner Melan­cholie, ich werde ihre aufgeblähten Mägen und nervösen Herzen mit schönem Klang beruhigen, maßvoll, würdig. Ich sitze am Flügel, und meine Hände zittern. Das durch­kreuzt meinen Plan. Sie sollten ruhig sein, diese Hände. »Clair de Lune« ist ein kitschiges Musikstück, schamlos in seiner Sentimentalität, technisch nicht schwierig, aber sehr durchsichtig. Ich habe auf dieses Stück gesetzt, weil ich weiß, daß ich die seltene Gabe besitze, einen sanften An­schlag zu zaubern. Ein Trick, den ich bei Rubinstein abge­schaut habe. Im Fernsehen hatte er gesagt, daß das Pedal eine Voraussetzung für ihn sei, um lyrisch zu spielen.

Ich beginne mit den zerbrechlichen Terzen. Des-Dur. Eine meiner Lieblingstonarten, voll innerer Spannungen, dabei spitzen die Leute immer die Ohren. Debussy wußte, was er tat. Ich merke, daß ich fein gestimmt und hellwach bin. Ich spiele trotz allem, um zu gewinnen. Ich darf das nicht ver­gessen. Alle in der Szene erwarten das. Etwas anderes wäre ein Skandal. Ich habe jeden Tag länger geübt als alle anderen. Die Musik ist zur höchsten Verzweiflung gewor­den, alles verschlingend, und obwohl ich spiele, um an die­sem Tag zu gewinnen, spüre ich die Wirkung der Töne, spüre, wie die Harmonien und Klänge mich vereinnah­men, und jetzt mit einer Heftigkeit, die die Begegnung mit Anja Skoog geweckt hat. Gelingt es mir, sie mit Debussy zu beeindrucken? Steht sie hinter der Tür zum Podium


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