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aus: Walter Kempowski, Tadellöser & Wolff. Ein bürgerlicher Roman (1975)



Den Nachmittag verschlief ich. Erst gegen Abend stand ich auf. Um 8 Uhr war ein Orgelkonzert, das konnte man sichnicht entgehen lassen.

Alles ausziehen und gründlich waschen. Frische Unterwäsche anziehen; das ockerfarbene Hemd. Einen Schlips aus Vaters Schrank, noch war er nicht tot.

Neues Taschentuch nehmen, Brille putzen.

Mal auf andere Gedanken kommen.


Zu zweit am Abendbrottisch. Still im Teeglas klingeln.

Mit der Butter ein bißchen vorsichtig sein. Nächste Woche gäbe es ersatzweise Butterschmalz. Und nicht zuviel Brot essen. Ab morgen immer einen Teller Suppe vorher, das füllte. Oder Bratkartoffeln.


Hoffentlich würde die Luftlage halten. Gewöhnlich kamen die Flieger ja erst um 10. Oder schon am Nachmittag. Um 8, das wäre ungewöhnlich.


Zeitig losgehn. Die herbstliche Luft und einen guten Platz kriegen. Das zur Neige gehende Jahr, wie alles so abstirbt. Die Äste schließlich nur noch so in den Himmel geragt. Wie das Schicksal oder wie der Tod.

»Caspar David Friedrich hat das so schön gemalt«, sagte meine Mutter: »Ruine Eldena. Bäume sind ja viel größer als man denkt. « Dasselbe, was an Zweigen über der Erde ist,

das ist unter der Erde als Wurzelwerk. Sozusagen pro Ast eine Wurzel. Und das hauten die Leute ohne Bedenken ab.

(Dahlbusch auch mal wieder angehn um Feuerholz. Er hatte es ja fest vers-prochen.)


Hauten das ab, ohne zu denken wie langsam das wächst.


Dankbar sein, daß man noch in seiner gemütlichen Wohnung sitzt. Leider ja Zentralheizung, Ofen wären jetzt praktischer.

Aber die armen Menschen, die ihre Heimat hatten verlassen müssen. Die armen, armen Menschen.

Ulla so nett geschrieben, sie säße an den Sommerkleidern, wie war man froh, daß sie da drüben war.

Und Roberding so lieb, jetzt in der Gegend von Kolberg, Groß Jestin, Kriegsgefangene bewachen. Der gute Junge. Ja auch nicht einfach.

Und Vati endlich befördert und die Spange zum EK. Das täte dem gut, glaube sie, das würde dem Auftrieb geben. Der liebte ja sein Vaterland und das gehe ihm jetzt alles so zu Herzen. »Viel zu arbeiten«, hatte er geschrieben. Was er da wohl zu arbeiten hatte? Was hatte man im Krieg zu arbeiten?


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