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- 2 - Hera Lind:  Ein Mann für jede Tonart


     Ein anderes Chormitglied sollte einen Purzelbaum schlagen - wir wählten unseren Jüngsten, der sowieso kein Recht auf Protest hatte. Wieder ein anderer sollte zu gegebener Zeit in dem Eimer mit Blättern rascheln. Das machte der Älteste, der ohnehin bald in Pension ging und nicht mehr singen konnte. Er raschelte sehr pflichtbewußt mit todernster Miene, und zwar genau, wie es in den Noten stand. Schließlich hatte sich der Komponist etwas dabei gedacht, da durfte

man nicht rumschlampen. Auf der Eins UND mußte geraschelt werden, und dann wieder auf der Quintole im nächsten Takt. Das konnte man sich gut merken, denn direkt davor fing die Sopranistin an zu kreischen. Falls das im allgemeinen Lärm unterging, konnte man sich noch daran orientieren, daß ihr Kleid gleichzeitig anfing zu zittern. Kurz danach griff das Orchester zu den Kuhglocken, und ein Höllenlärm brach los, als die Jungs zu läuten anfingen. Natürlich konnte man den Effekt mit den Blättern nicht mehr so gut hören, aber Willi, unser Pensionär, raschelte genau im Rhythmus, mit unbewegtem Gesicht, genau wie es der Komponist vorgeschrieben hatte. Das Gemeine an dem Stück war, daß mein Taschenkammsolo ganz nackt und bloß dalag, auf einer Riesenseite voll leerer Notenlinien war nur »Taschenkamm Eins-Solo« vermerkt und dann meine Töne. Erst im Takt zwölf fing der Neger wieder an zu schimpfen und zu gestikulieren, und da war dann egal, was ich blies.

     Jedenfalls war die ganze Sache sehr stressig, zumal Walpurgis, meine Nachbarin, ein Streber war und keinerlei Sinn für meinen Humor hatte. Sie hieß eigentlich Walburga, klar, aber

ich nannte sie Walpurgis, weil sie eine Hexe war und ein Streber dazu. Statt wie die anderen ein bißchen zu improvisieren und ein bißchen albern zu sein, lernte sie ihre Grunz- und Flötpartie heimlich auswendig und wußte dann in den Proben alles besser als wir. Um so ärgerlicher war sie, daß sie kein Taschenkammsolo gekriegt hatte und mir zwölf Takte lang schweigend zuhören mußte. Weil ich rhythmisch und harmonisch auf meinem Taschenkamm nicht so bewandert war, pfiff sie mir immer von hinten die Töne vor. Das konnte ich gar nicht vertragen und wäre ihr am liebsten mit nacktem Hintern ins Gesicht gesprungen, aber das stand nicht im Stück.


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