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aus: Hera Lind, Ein Mann für jede Tonart (Frankfurt/M.1989, S. 243-245)

     mit freundlicher Genehmigung des Taschenbuchverlags Fischer


Ein paar Tage später begannen im Sender die Proben für ein modernes Stück. Der Komponist hieß Strohnagel und war eine geschätzte Persönlichkeit. Er komponierte und komponierte, daß es nur so krachte, und das Notenmaterial paßte nicht in den Koffer des Notenkofferschleppers, sondern mußte auf einem Handkarren transportiert werden.

     Man konnte die Noten auch nicht in den Händen halten, sondern man benötigte zwei Pulte mit ausziehbarer Blechhalterung. Für das Umblättern waren jedem Sänger zwei Meter zwanzig zugebilligt worden, weshalb die ganze Produktion in die Singakademie verlegt werden mußte.

     Das Stück war für sechzehn Sänger, vierzig Kuhglocken, drei Taschenkämme, einen Eimer voll Herbstlaub, Solo-Sopran und Neger. Der Neger war der Sprecher. Man verstand kein Wort, aber das war auch der Sinn des Stückes, und somit war der Neger eine erstklassige Besetzung. Während er schrie, brüllte, tobte und stampfte, lief ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht und in seinen Rollkragen. Die Dramatik war aber gelungen, und wir vom Chor starrten ihn immer gebannt an, wenn er loslegte. Er hatte ein riesiges Noten pult, und alle Schimpfwörter standen dort geschrieben.

     Der Solo-Sopran war gestraft: 44 Minuten ununterbrochen hohes Gekreisch bis zum viergestrichenen Baff. Die Dame, deren zitternden Rücken wir nur sahen, hatte unser tiefstes

Mitgefühl, aber man munkelte, sie verdiene an dieser Produktion 20 000 Mark, und außerdem habe sie etwas mit dem Komponisten. Da wendete ich mein Mitleid lieber mir selbst zu. Auch wir mußten 44 Minuten brüllen, summen, grunzen, schrille Schreie ausstoßen und albern kichern. Das alles nach Noten, die man kaum lesen kann, da sie aussehen wie eine Menge Fliegenschiß, ist gar nicht so einfach. Auf mich fiel dann ausgerechnet auch noch ein Solo: 14 Takte Kamm blasen. Ich durfte noch nicht mal meinen eigenen benutzen, sondern einen philharmonisch vorgeschriebenen Taschenkamm mit Zellophan drüber. Das juckte ganz fürchterlich an der Lippe und machte kein bißchen Spaß. Zumal ich mich damit der Lächerlichkeit preisgab.


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