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- 3 - aus: Batya Gur, Das Lied der Könige


Michael gab keine Antwort.

»Gehören sie Theo?« fragte Isi beharrlich. »Ich will wissen, ob sie Theo gehören.«

Balilati öffnete schnell die Tür, atmete kurz und legte eine Lupe vor Isi. »Hier haben Sie ein Vergrößerungsglas«, sagte er und ließ sich in den Stuhl fallen. Ja'ir kam in den Raum und blieb in der Ecke neben der Tür stehen, als bewache er sie, damit sie nicht plötzlich aufging.

Isi sah durch die Lupe das Siegel an. »Ja«, sagte er mit zittriger Stimme. »Hier steht der Name einer venezianischen Bibliothek und ein Datum unter diesem Rostfleck, 1725. Sie können sich selbst vergewissern.«

Er reichte Michael die Lupe, und Michael hielt den schwarzen Griff mit sicherer Hand und sah hindurch. Mit großer Andacht blätterte Isi Maschiach um, und beim dritten und vierten Heft stieß er plötzlich aus: »Ein Requiem. Aber der Anfang fehlt«, sagte er wie zu sich selbst. »Und auch der Schluß ist nicht da. Aber die Mitte, die Mitte!« Er stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. »Wenn Gabi... wenn Gabi das gesehen hätte!« sagte er erstickt. »Er war der Mann, den Sie jetzt bräuchten. Und es wäre auch gerecht. Es wäre nur gerecht, wenn er das sehen könnte, er wäre übergeschnappt, wenn er das gesehen hätte!«

»Es kann sein, daß er es gesehen hat«, sagte Michael ruhig.

Isi sah ihn bestürzt an. »Glauben Sie, er hätte so etwas gesehen und mir nichts davon gesagt?!« Er war erschüttert. Und mit großer Wut sagte er: »Sie verstehen gar nichts! Es ist ausgeschlossen, daß er es gesehen hat und mir nichts davon gesagt hat. Unmöglich, daß er es gesehen hat. Er hat mir alles erzählt, vor allem in diesem Bereich. Und so etwas?! So etwas. Wenn er es gesehen hätte? Und wenn es echt ist. Wenn es nicht irgendeine raffinierte Fälschung ist. Und sogar, wenn es eine Fälschung ist, von solch einem Niveau. Solch eine Musik, wie sie hier geschrieben steht, wenn er das gesehen hätte, hätte er... hätte er nachts nicht mehr schlafen können!«

»Und, hatte er in der letzten Zeit einen ruhigen Schlaf?« fragte Balilati.

Isi schreckte zurück, erstarrte. Sein Gesicht spiegelte Verlegenheit, Verwirrung, Schrecken, plötzliche Erkenntnis und nochmals Schrecken wider. »Ist es in Delft darum gegangen?« flüsterte er Michael zu. »War es das?« verlangte er in bedrohlichem Ton zu wissen und packte den Ärmel des blauen Hemdes. »War es das, was er von dem Antiquitätenhändler in Holland wollte?«

»Wir nehmen es an«, sagte Michael.

Isi Maschiach nahm seine Hand von Michaels Arm, sah das Manuskript an, setzte sich und starrte mit verschlossenem, sehr bleichem Gesicht ins Leere. »Er hat mir nichts davon gesagt«, flüsterte er. »Nicht mal eine Andeutung, nicht ein Wort. Wie ist das möglich?«

»Wie kann man herausfinden, wer der Verfasser ist?«

Isi Maschiach schob die Partitur der »Trojaner« von sich, legte den Arm auf den Tisch und die Stirn auf den Arm. »Ich werde kollabieren«, warnte er und atmete mit großer Schwierigkeit flach und pfeifend.


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