- 25 -Behrendt, Frauke: Handymusik 
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Die genannten Aspekte von Klangkunst lassen sich gut an John Cages Werk 33 1/3 aus dem Jahr 1969 veranschaulichen. In einem Raum waren auf Tischen 12 Plattenspieler jeweils mit Verstärkern und Lautsprechern verteilt sowie fast 250 (von Cage per Zufall ausgewählte) Platten; Stühle gab es nicht. Die Zuschauer, die den Raum betraten, bekamen keine Anweisungen, was sie zu tun hätten. Aber nach einiger Zeit begannen die Menschen Platten aufzulegen. Die Wahl der Platten, des Plattenspielers und der Lautstärke war dabei jedem selbst überlassen. 33 1/3 ist nicht nur zum Hören, sondern auch zum Sehen bestimmt. Technik ist ein wichtiger Teil des Werks und die Rezipienten können autonom mit dem Werk sowie miteinander interagieren. Handy-musik erinnert an dieses Werk, wie bei den Werkbeschreibungen zu sehen sein wird. Vorerst stelle man sich einfach eine Wiederaufführung des Werks mit Mobiltelefonen statt mit Plattenspielern vor.

5.2.  Telefonmusik

Die ›telefonische Geschichte‹ der Handymusik soll an drei Bereichen aufgezeigt werden: an der Frühzeit des Telefons, am Telharmonium und an der Klangkunst mit dem Telefon. Nachdem das Telefon in seiner Frühzeit hauptsächlich für Musik genutzt wurde, folgte eine etwa hundertjährige Phase des Telefons als reinem Kommunikationsmedium. Erst heute, mit der Etablierung des Handys, ergibt sich erneut eine neue Kombination von Telefon und Musik: die Handymusik.

5.2.1.  Frühzeit des Telefons

Das Telefon wurde im Zeitalter des Telegrafen 1876 von Graham Bell erfunden. Das neue Medium verbreitete sich zunächst in den USA. In Berlin gab es 1889 10.000 Anschlüsse13

13
Pichler, Franz: Telegrafie- und Telefonsysteme des 19. Jahrhunderts. In: Decker, Edith und Weibel, Peter (Hg.): Vom Verschwinden der Ferne. Telekommunikation und Kunst. Köln, 1990, S. 32
, bis 1910 deutschlandweit etwa 1 Millionen Fernsprecher.14
14
Vgl. Faulstich, Werner: Grundwissen Medien. München, 1995, S. 298
Zur diesem Zeitpunkt gab es in den großen Städten der USA bereits 10 Millionen Fernsprecher.15
15
Vgl. Faulstich 1995, S. 298
Interessanterweise wurde das Telefon in seinen frühen Jahren selten zur Übermittlung von Nachrichten genutzt, denn dafür hatte man ja den Telegrafen.16
16
Das Telegraphennetz war das erste globale elektronische Netzwerk, der Urahn des Internets. Vgl. Standage, Tom: The Victorian internet: the remarkable story of the telegraph and the nineteenth century’s online pioneers, London, 1998
Stattdessen hörte man in Großstädten häufig Musik am Telefon. In London hieß diese Einrichtung Electrophone, in Paris Théâtrophone und in Delaware Tel-Musici. Hírmondó war in Budapest bis 1945 in Betrieb und in München konnte bis 1929 Musik am Telefon konsumiert werden. Dieser Service mit seiner massenmedienähnlichen Funktion17
17
Höflich, Joachim R.: Telefon: Medienwege – von der einseitigen Kommunikation zu mediatisierten und medial kontruierten Beziehungen. In: Faßler, Manfred und Halbach, Wulf: Geschichte der Medien. München 1998, S. 187 ff.
des Telefons wurde durch die flächendeckende Einführung des Radios obsolet.18
18
Vgl. Ruschkowski 1998, S. 20 f.
Die moderne Kultur der Klingeltöne sowie die

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