- 36 -Behrendt, Frauke: Handymusik 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (35)Nächste Seite (37) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

wonderful irony of turning the enemy into your soldier . . . The enemy is making the music now.«51
51
Batista, Elisa: Did This Musician ›Cell‹ Out?, In: wired, http://www.wired.com/news/culture/0,1284,46273,00.html, 31.08.2001 (Stand 08.08.2003)
Das Spannungsverhältnis zwischen Handy und Konzertsaal hat auch andere zu Werken der Handymusik inspiriert.52
52
Das Werk Spring Cellphony des Komponisten Simon Turner und des Autors Marcus Moore nutzte auch das Handy als Instrument. Das auf dem Cheltenham Music Festival im Juli 2002 vorgestellte Werk arbeitete mit 30 Mobiltelefonen und bezog das Publikum mit ein. Vgl. Swanson, Sandra: One ring to bind them all: Serious musicians are using cell phones as instruments. In: Informationweek, http://www.informationweek.com, 24.04. 2002 (Stand 08.08.2003)

Warum ist das Klingeln von Handys an Stätten der Hochkultur ein Sakrileg?53

53
Gertrud Lehnert berichtet von der Aufführung eines Tanzstückes im Sommer 1998 in Berlin, während dessen plötzlich ein Mobiltelefon klingelte. Das Publikum war peinlich berührt und geschockt ob dieses Fauxpas – bis der Tänzer ein Handy aus der Tasche zog, den Anruf entgegennahm und seinem Gesprächspartner sagte, er könne leider gerade nicht, da er mitten im Pas de deux sei. Das Mobiltelefon war also Teil der Inszenierung – was die Zuschauer mit erleichtertem Lachen quittierten. Vgl. Lehnert, Gertrud: Mit dem Handy in der Peepshow. Die Inszenierung des Privaten im öffentlichen Raum. Berlin, 1999, S. 9
Der Gebrauch von Mobiltelefonen lässt die Grenzen zwischen Öffentlich und Privat verschwimmen. Telefonieren als intime Praxis wird an öffentliche Orte getragen. Handyklingeln kündigt ein eingehendes Telefonat an – und Mobiltelefonieren in der Öffentlichkeit verletzt Kommunikations- und Höflichkeitsregeln54
54
Es gibt eine Webseite, deren Ziel ist, die Höflichkeit zwischen Handybesitzern und den sie umgebenden Menschen zu fördern. Vgl. www.cellmanners.com (Stand 08.08.2003)
, die sich über lange Zeit in der Gesellschaft herausgebildet haben. Telefonieren in der Öffentlichkeit gehört dazu. Es gibt Orte, an denen die Regelbrechung stärker ist als an anderen Orten. Wenn mitten in einem Symphoniekonzert ein Handy klingelt und der Besitzer das Gespräch auch noch annimmt, hat das andere Konsequenzen55
55
Der New Yorker Stadtrat will in Zukunft das Telefonieren in Museen, Konzerten, Kinos, Theatern, Bibliotheken und ähnlichen Orten verbieten und Verstöße dagegen mit 50 Dollar Strafe ahnden. Vgl. Corinth 2003
, als wenn das gleiche an einem belebten öffentlichen Ort passiert. Werke der Handykunst und -musik, die mit (klingelnden) Mobiltelefonen in Galerien und Konzertsälen arbeiten, machen auf diese Situationen mit starker »sozialer Regelstruktur« aufmerksam, in denen die »kommunikativen Regeln«56
56
Burkart 2002, S. 164
klar festgelegt und Regelübertretungen stark sanktioniert werden. Am anderen Ende der Skala finden sich Situationen, die eher »sozial unstrukturierte [. . . ] amorphe Massenansammlungen«57
57
Burkart 2002, S. 164
sind, wie zum Beispiel auf einem Bahnsteig.58
58
Damit arbeiten beispielsweise Werke, die der unspezifischen Masse die Möglichkeit geben ihre privaten SMS-Nachrichten auf eine Videoleinwand zu senden. »Urban Diary« beispielsweise zeigt das Spannungsverhältnis zwischen öffentlich und privat schon im Titel des Werks an, ein Tagebuch ist normalerweise privat, die Stadt aber öffentlich. Beim Gewinner des Wettbewerbs für die künstlerische Gestaltung des Hauptbahnhofes Berlin konnten die Teilnehmenden SMS senden, die 24 Stunden später auf einer Leinwand (an einem Bahnsteig) mit einem riesengroßen Handydisplay gesendet wurden. Vgl. N.N.: urban diary. In: page 02.2002, S.12
Doch neben diesem Tabubruch verfolgt Dialtones auch das Ziel sich im Feld der Hochkultur zu positionieren, was beispielsweise an der Wahl des Aufführungsorts und des Titels des Werks sowie dem Aufbau in Form einer klassischen Symphonie, zu erkennen ist. Golan Levin will sich ganz explizit von der Popkultur der Klingeltöne abgrenzen. Welche Entwicklung führte dazu, dass neue Regeln ausgehandelt werden müssen?


Erste Seite (i) Vorherige Seite (35)Nächste Seite (37) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 36 -Behrendt, Frauke: Handymusik