- 72 -Behrendt, Frauke: Handymusik 
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werden. Auch bei Dialtones sind die Handys Instrumente, jedoch werden sie dort von einem Dirigenten gesteuert.

Der zweite Aspekt der Klangkunst ist die Intermedialität. Bei der Handymusik geht es nie nur um das Hören, sondern immer auch um das Sehen. Viele Werke arbeiten neben dem Handy noch mit einem oder mehreren anderen Medien. Zwei der hier beschriebenen Werke kombinieren das Handy beispielsweise mit dem Radio, ein anderes mit einem skulpturalen Aufbau.

Interaktion durch und mit dem Mobiltelefon ist ein weiteres Merkmal der Werke der Handymusik. Der Rezipient kann das Werk (mehr oder weniger) selbstbestimmt erfahren und mit ihm und anderen interagieren, was dem dritten Aspekt der Klangkunst entspricht. Menschen tragen das Handy immer bei sich, deshalb sind sie für Werke, bei denen man mit dem eigenen Handy interagiert, immer gerüstet. Das Handy als Kommunikationsinstrument mit Ein- und Ausgabemöglichkeit bietet verschiedene Möglichkeiten zur Interaktion. Viele interaktive (Musik-)Installationen haben Probleme mit der Beteiligung von Zuschauern. Durch das Medium Handy sinkt die Hemmschwelle zur Partizipation an einem interaktiven Werk, weil die Teilnehmer nicht direkt interagieren, sondern vermittelt durch das Mobiltelefon. Das zeigt sich an der durchweg hohen Beteiligung an den dargestellten Werken.

Durch die Mobilität des Handys ergibt sich die Beschäftigung mit dem vierten und letzten Aspekt der Klangkunst, dem Raum. Bei traditionellen Konzerten ist körperliche Anwesenheit notwendig, der einzelne Zuschauer ist fest auf einem Platz verortet, auf dem er während des gesamten Konzerts sitzen zu bleiben hat. Bei Installationen ist auch körperliche Anwesenheit erforderlich, sie beschränkt sich aber nicht auf einen festgelegten Sitzplatz, sondern umfasst die gesamte Installation, in der man sich (meist) frei bewegen kann. Bei der Netzmusik ist die körperliche Anwesenheit obsolet. Man kann von einem beliebigen Rechner irgendwo auf der Welt aus partizipieren. Dafür ist man an den Ort genau dieses Rechners gebunden. Wie verhält sich das bei der Handymusik? Körperliche Anwesenheit an einem bestimmten Ort ist nicht notwendig. Der Teilnehmer ist auch nicht an den Ort des Computers gebunden, da der Platz des Rechners in Form des Handys in der Tasche des Rezipienten ist. Er kann sich noch freier als bei einer Installation bewegen, potentiell auf der ganzen Welt. Das Raumkonzept der Installation und das Raumkonzept der Netzmusik finden also beide Eingang in das der Handymusik.

Im Gegensatz zu dieser potentiellen, völligen Loslösung vom Raum steht das Bestreben der Künstler nach einem lokalen Bezug ihrer Werke. Denn fast alle beschriebenen Werke zeigen den Wunsch nach Verortung. Bei Dialtones geht das so weit, dass körperliche verortete Präsenz der Teilnehmer mit ihren Mobiltelefonen notwendig war. Text.FM und Wählt die Signale! arbeiten mit lokalen Radiosendern zusammen. Und bei Kadoum soll die Herkunft der Herzfrequenzen aus Australien maximale räumliche Entfernung symbolisieren. Werke, die ohne Anbindung an einen festen Ort explizit mit diesem neuen Raumkonzept arbeiten, sind mir nicht bekannt.

Die Handymusik setzt sich aber nicht nur mit dem realen, sondern auch mit dem virtuellen Raum auseinander. Handymusik verbindet den Cyberspace musikalisch mit der realen Welt. Die Musik wird aus dem Cyberspace zurückgetragen in den ›wirklichen‹ Raum. Virtueller und realer Raum können in einer neuen Weise miteinander


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