Totale Globalisierung der Musikkultur?
Weltmusik ist eine Rubrik im Angebot der „Silbernen Scheiben“. Weltmusik nennt man
Mischformen aus Musik verschiedener Kulturen, in denen fremdländische Anklänge zu finden
sind, sei es dadurch, daß Stilmerkmale und/oder Instrumente verschiedener Kulturen
kombiniert sind. Ist Puccinis „Madame Butterfly“ ein Stück Weltmusik? Es sind hier nicht
wirklich ostasiatische Stilmittel verwendet worden, aber es ist die Absicht gelungen, beim
Hörer die Vorstellung zu erwecken, daß die Handlung im Fernen Osten, in China
spielt.
Weltmusik in dem Sinne, wie Veit Erlmann sie 1993 skizzierte (1995), als absolut nicht
erstrebenswerte, aber doch zu erwartende homogene Mischung aller Stilrichtungen, scheint mir
nicht sehr wahrscheinlich. Gegen eine solche Einheits-Musikkultur, die er uns in Aussicht stellte,
gibt es gewichtige Gründe, die oben schon kurz angedeutet wurden. In Bezug auf die
Vereinigung unterschiedlicher Kulturen allgemein vertritt Arjun Appadurai (1996, S. 11) die
Meinung, daß es zu einer homogen gemischten Weltkultur nicht kommt. Verschiedene
Lebensbereiche müsse man allerdings differenziert betrachten – und bei der Musik ist er sich
nicht ganz so sicher.
Er begründet seinen Standpunkt damit, daß sich Meinungen und Vorstellungen innerhalb
kleinerer Gruppen entwickeln, die in engem menschlichen Kontakt kommunizieren (1996,
S. 199). Appadurai hat zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen genommen, daß es
entscheidend sei, daß die Menschen sich von der Welt ein Bild machen, daß sie in Vorstellungen
und Bildern leben und sich vorstellen, welche Position sie in diesem Bild einnehmen. Ihre
Fantasien, ihre Zukunftsvisionen, aber auch die Vorstellungen von ihrer eigenen Person, ihrer
Rolle und ihrem Selbstverständnis entwickeln sie im Kontakt und im Austausch mit ihrer
näheren Umgebung. Nachbarschaft und Heimat sind die Faktoren, die es in diesem Prozeß mehr
zu beachten gilt. Sie bestimmen die Menschen in dem, was sie wollen und wie sie sein wollen.
Trotz aller Möglichkeiten der Mobilität und des Medienaustauschs findet der Diskurs über die
Werte und Wertschätzung im engeren Kreise der menschlichen Begegnung statt (1996,
S. 195).
Von psychologischer Seite wurden solche Gedanken, wie der Mensch sich ein Bild von etwas
macht, in dem alles seinen Platz und seine Ordnung hat, auch schon in W. Salbers
„Morphologie des seelischen Geschehens“ (1965, S. 191) geäußert. Da gibt es auch Irritationen
und Paradoxien. Das spricht gerade für die Vielschichtigkeit des Zusammenwirkens
verschiedener Faktoren. Eine systemische Sichtweise ist geboten, um die Vielzahl wechselseitig
wirksamer Strömungen in ihrer Wirkung zu verstehen.
Regionale Idiome in Beispielen
Einige Frühmorgensstücke aus China, beginnend mit Hahnenschrei, offensichtlich eine
Weckmusik, ausgeführt mit Elektronischer Orgel, Synthesizer (E-Gitarre) und Rhythmusgruppe,
klingen sehr chinesisch. Das liegt vor allem an der Pentatonik, die fortwährend das Terzintervall
betont, wo die Tonstufe ausgespart ist, und an den diese Terz betonenden melodischen
Wendungen. Der Ablauf im Melodischen ist wie ein Herumspringen um die fehlende Tonstufe.
Das Potpourri reiht eine melo-