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  Humain, trop humain / Place de la République

Im Juli und Oktober des Jahres 1972 drehte Malle die zwei Dokumentarfilme Humain, trop humain und Place de la Republique, welche jedoch erst nach Lacombe Lucien in die französischen Kinos kamen (3. 4. 1974). Sie sind in einem Kapitel zusammengefasst, da sie mit derselben Crew gedreht wurden (Kamera: Etienne Becker; Ton: Jean-Claude Laureux) und einem ähnlichen ästhetischen Ansatz folgen: dem des cinéma direct.

  Humain, trop humain

Guy Gauthier bezeichnet in seiner Kritik in Image et Son Humain, trop humain etwas simplifiziert als einen »film d’images et de bruits«,407

407
Gauthier, Guy: »Humain trop humain. Place de la République«. In: Image et Son 285 (6–7/74), S. 98 f. (»Film aus Bildern und Geräuschen«)
trifft damit jedoch den Kern der Ästhetik des Films. Malle drehte ihn im Citroën-Werk in Rennes-la-Jannais und im Salon d’Auto in Paris. Während des ganzen Films verzichtet Malle sowohl auf Interviews bzw. deutlich zu vernehmende Dialoge als auch auf Off-Kommentare, ein Aspekt, der noch an späterer Stelle zu untersuchen sein wird.

In diesem dreiteilig angelegten Film zeigt der Regisseur zunächst den Fertigungsprozess des Citroën GS vom Stahlblech bis zur Endkontrolle; anschließend die Vermarktung des Fahrzeuges auf der Pariser Autoausstellung, bevor er im dritten Teil wieder ins Autowerk zurückkehrt, um in quasi gespiegelter Reihenfolge die verschiedenen Produktionsstationen zu filmen, bis der Film mit der Einstellung auf einer Frau endet, die lediglich eine minimale Bewegung mit der Hand durchzuführen hat.

Wie bereits Calcutta zeichnet sich auch dieser Film durch eine »scheinbare Neutralität«408

408
Malle in French (1998), S. 221
aus. Malle drehte ihn zu einer Zeit, in der ideologische Agitationsfilme sehr in Mode waren.409
409
Vgl. den Film British Sounds von Jean-Luc Godard (1970), in dem der Regisseur laut Malle Marx zitiert. Vgl. French (1998), S. 221
Dennoch verzichtet er auf derartige Ansätze; die Arbeiter kommen an keiner Stelle zu Wort und Erklärungen bzw. didaktische Kommentare zur Instruktion des Zuschauers fehlen vollkommen, was dem Regisseur später seitens der Kommunisten und radikalen Studenten vorgeworfen wurde. Anstelle der Informationen durch Kommentar versuchte Malle ein sinnliches Erleben der Fließbandarbeit zu vermitteln:

»Ich wollte ein körperliches Gefühl erzeugen, wie ermüdend und langweilig es für die Arbeiter ist – für die völlig unmenschlichen Aspekte der Arbeit am Fließband –, ohne es aussprechen zu müssen. [...] Ich wollte, daß die Studenten akzeptieren, daß mein Film [...], indem er einfach zeigt und dem Zuschauer vermittelt, wie es ist, acht Stunden lang auf den Füßen zu stehen und immer die gleiche Bewegung zu machen, welche Wirkungen das auf den Körper, auf die Seele hat, viel eindringlicher war, als wenn man nur darüber spricht.«410

410
Ebda., S. 220 f.


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