rellen Identität.
Diese prallt an manchen Stellen kontrastierend mit der amerikanischen Kultur
zusammen – wenn Malle im Haus des indischen Motelbesitzers typisch indische
Instrumente (Tabla etc.) vor einem gigantischen Fernseher filmt, in dem gerade ein
Science-Fiction-Zeichentrickfilm läuft und er die Klänge der Instrumente mit den
künstlichen Laserkanonen-Sounds aus dem Fernseher kontrastiert. An anderer
Stelle zeigt Malle eine weiteres Kuriosum: Im bereits erwähnten russischen
Nachtclub singt die Amerikanerin Diane Jones in einer Band russische Folklore
(Off-Kommentar: »Wie soll ich es nennen? Assimilation rückwärts? Dieses soll
das letzte Paradoxon meiner Amerikareise sein.«). All diese Beispiele zeugen
von der Gratwanderung zwischen dem Anpassen an eine neue Kultur und der
Beibehaltung einzelner Elemente aus der Heimat (in diesem Fall Musik), die den
Immigranten ihre Herkunft bewusst machen sollen, zumal auch einige Interviewpartner
Malles Frage nach Heimweh bejahen. Die Musik bildet somit ein wichtiges
Element des Abgrenzens gegen die neue Kultur, aber auch gegen andere ethnische
Gruppen.
Im Falle des letzten Beispiels stellt die Musik einen optimistischen Ausblick auf die Möglichkeiten einer kulturellen Symbiose im Zeichen des melting pots dar. Dieser Aspekt wird aber nicht von Malle akzentuiert; vielmehr drückt er lediglich seine Verwunderung und Erklärungsnot aus (siehe Off-Kommentar) und bleibt in der Rolle des Regisseurs, der zeigt, nicht jedoch didaktisch erklärt. Ein weiteres wesentliches, oben bereits kurz angesprochenes Element des Tons bilden die verschiedenen Akzente und Sprechlagen der interviewten Personen. Sie zeugen von deren Herkunft und machen den multikulturellen Reiz dieses Dokuments aus. Gerade der Kontrast zwischen asiatischer, indischer, afrikanischer, russischer und hispanischer Artikulation beweist, dass zumindest im kommunikativ-verbalen Sinne der melting pot funktioniert. Englisch bzw. amerikanisch wird zur lingua franca und zum verbindenden Element zwischen den einzelnen ethnischen Gruppierungen.
»[...] eines der großen Probleme mit diesem Film lag darin, daß die Leute, von denen er handelte, alle ein grauenhaftes Englisch sprachen. Manchmal konnte ich kaum ein Wort verstehen, und ich wußte, daß es sich im fertigen Film noch schlimmer anhören würde. Wenn jemand etwas Interessantes sagte, das schwer zu verstehen war, mußte ich es in meinem Kommentar mehr oder weniger ausführlich wiederholen. Dokumentarfilme zu machen ist natürlich eine phantastische Möglichkeit, ein Land, eine Sprache kennenzulernen. Die Sprechweise der Menschen, die Sprache, die sie benutzen, verrät viel von ihrem Hintergrund, ihrer Kultur; und ihr Rhythmus, ihr Zögern und ihre Schwierigkeiten beim Sprechen sind natürlich sehr entlarvend. Das alles gehört dazu, andere Menschen kennenzulernen; und anderen Menschen mit einer Kamera und einem Tonbandgerät zu begegnen ist eine wunderbare Art und Weise, sie verstehen zu lernen.«442
|