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gegenüber Gesetz und Ordnung [...] Glücksspiele waren bei Männern aller Schichten eine verbreitete Unsitte; und es gab auch diese berüchtigten und verrufenen ›Quadroon-Bälle‹«.583
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Robin, Charles C.: Voyages dans l’intérieur de la Louisiane, zit. n. Jost (1982), S. 21

Neben den Franzosen, den Engländern und den Iren gab es eine weitere Bevölkerungsgruppe, die Kreolen (Créoles). Diese Nachfahren farbiger Frauen und weißer Männer nahmen eine Position zwischen den Weißen und den Sklaven ein. Gleichzeitig übernahmen sie jedoch die rassistischen Grundsätze der weißen Gesellschaft und hatten ein System interner Rassendiskriminierung, deren Merkmal die Helligkeit der Haut war – je heller, desto angesehener. Allen Kreolen war eine Affinität zur französischen Bildung und Kultur eigen. Sie gründeten eigene Privatschulen und eigene Musikinstitutionen. Mit dem Bürgerkrieg und der Abschaffung der Sklaverei verloren sie ihre privilegierte Stellung gegenüber den Sklaven.

Wie bereits oben angedeutet, herrschte seit Gründung der Stadt ein sehr ausgeprägter Sinn für das Vergnügungsgeschäft. New Orleans war im 19. Jahrhundert die Stadt mit dem lebendigsten Musikleben der USA. Neben einem Konzertwesen und der französischen Oper gab es unzählige Tanzkapellen, die bei allen möglichen Anlässen unterschiedlicher Bevölkerungsschichten zum Tanze aufspielten. Neben diesen Tanzbands gab es die ›Brassbands‹, Blasmusikgruppen, die zu verschiedenen Zwecken eingesetzt wurden und deren Träger oftmals die sozialen Organisationen der Farbigen war. Der Freizeitcharakter, den das Musizieren für die meisten Kreolen und Schwarzen hatte, änderte sich unter den neuen Rassegesetzen in der Reconstruction-Ära nach dem Bürgerkrieg (1861–1865). Es wurde nicht mehr zwischen Kreolen und Farbigen (vormals Sklaven) unterschieden, so dass sich diese Bevölkerungsgruppen notgedrungen annäherten. Viele Kreolen, die häufig eine fundierte musikalische Ausbildung hatten, zog es nun in das Musikbusiness, wobei sie im Gegensatz zu vielen Schwarzen, die ihr Instrument autodidaktisch erlernten, im Improvisieren keine Erfahrung hatten, sondern an das Spielen von Noten gewöhnt waren. Die Annäherung der beiden Bevölkerungsgruppen vollzog sich nicht ohne Spannungen, zumal die Schwarzen zeitlebens von den Kreolen als minderwertig betrachtet wurden. Erleichtert wurde der Wechsel ins musikalische Profigeschäft durch den Aufschwung, den der Unterhaltungsbetrieb Ende des 19. Jahrhunderts genoss. Es wurden auch Orchester gegründet, die durchaus den Ansprüchen der Kreolen entsprachen, so das Society-Orchester des kreolischen Violinisten John Robichaux, welches ausschließlich notierte Musik ohne Improvisationen spielte. Viele Blaskapellen entwickelten sich zu »multifunktionalen Einrichtungen [...], die sowohl Konzertprogramme bestritten, als auch bei Paraden mitwirkten oder bei Gartenpartys zum Tanz spielten. Und in dem Maße, in welchem sich die Brassband-Musik zu einem der wichtigsten Bestandteile der schwarzen Teilkultur entwickelte, wurde sie von Merkmalen eines anderen Zweiges dieser Teilkultur durchsetzt: nämlich von jenen der rauen, improvisierten und off-beat akzentuierten Musik, die die New Orleanser Musiker in Ermangelung eines anderen Namens einfach ragtime oder fake music nannten, den sie als ratty oder low down bezeichneten und für die erst viel später der Begriff Jazz gebräuchlich wurde.«584

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Jost (1982), S. 35
Durch diese Entwicklung verschmolzen verschiedene musikalische Stilelemente zum Jazz. Jost nennt »ländliche vokale Volksmusik der Afro-Amerikaner [...], ländliche und städtische Blasmusik [...], europäische Tanzmusik [...], afro-amerikanische Tanz- und Unterhaltungsmusik [...] und instrumentale[n] Blues«.585
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Ebda., S. 31
Die ersten Jazzmusiker waren vielfach in die Gesellschaft integriert, da sie neben dem Musizieren oftmals noch einen anderen Beruf ausübten, auf den sie zurückgreifen konnten, wenn die Auftragslage für Musik einmal schlecht war. Zudem erfüllten sie »die Rolle von

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