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Aspekt das polyphone Zusammenspiel im New Orleans Jazz, wobei die Blasinstrumente dem führenden Bläser (meist ein Kornett) in »spontanen melodischen Linien«,599
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Ebda., S. 61
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Typische Ragtime-Stücke im Film sind beispielweise Creole Belles, Elite Syncopations, Tiger Rag, The Ragtime Dance oder auch das lyrische Heliotrope Bouquet. Eher dem frühen New Orleans Jazz zuzuordnen sind Moonlight Bay, eine Ballade, bei der nahezu alle Instrumente die Melodie nacheinander mit Verzierungen und Solopassagen nachspielen, um dann in einen gemeinsamen Chorus mit Kollektivimprovisation einzustimmen, oder auch After the Ball, ein Stück, in dem nach einer Einleitung im Dreivierteltakt mehrere Bläser und das Klavier über dem Chorus solieren, wobei die Instrumente am Ende wieder in eine Kollektivimprovisation münden. Where Is My Wandering Boy Tonight? ist ein Bläserchoral und wird lediglich von Tuba, Horn und Trompete gespielt. Ferner erklingen mehrere Blues-Stücke, so beispielsweise The Honey Swat Blues, von dem nur die Trompeten-Einleitung zu Beginn des Filmes verwendet wird oder auch der Buddy Bolden’s Blues, eine Komposition von Jelly Roll Morton, die jedoch auf einen Song von Scott Joplin zurückgeht (Sarah Dear). Ein Grenzfall ist der traditionelle Rag At A Georgia Camp Meeting, der im Film mit diversen Bläserausschmückungen gespielt wird, so dass er auch als Frühform des New Orleans Jazz gelten könnte.

Ein beträchtlicher Teil der im Film montierten Musik erklingt am Hauptort der Handlung, dem Bordell der Mme Nell. Unterschieden werden muss zwischen Takes, die direkt im Haus erklingen und Musik, die zwar im Haus zu vernehmen ist, deren Herkunft jedoch auf der Straße, dem Hof des Bordells oder in der näheren Nachbarschaft zu vermuten ist.

Musik als akustisches Kennzeichen des Bordells

Das Etablissement der Mme Nell ist eines der besseren Bordelle in Storyville. Nicht nur das üppig-luxuriöse Plüschdekor verdeutlicht dieses, sondern auch die Tatsache, dass die Inhaberin sich den Pianisten-Professor Claude leisten kann, der allabendlich Klavier spielt. Das Vorbild des Professors im Film, Tony Jackson, ist der Co-Autor des Liedes Pretty Baby, welches auch im Film montiert wird und das dem Film seinen Titel gegeben hat.600

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»The piano player in the film was taken from a real character named Tony Jackson, one of those brilliant black pianists who played in whorehouses.« (Louis Malle in: Stone, Judy: Eye on the world – Conversations with International Filmmakers. Los Angeles: Silman-James Press 1997, S. 185)

Bereits nach wenigen Minuten des Films erklingt das Klavier von Claude, nämlich in Take 2 und Take 3, noch bevor die Kamera in den Salon schwenkt und die abendliche Gesellschaft zeigt. Gerade Take 3 verdeutlicht die Arbeitsweise der ›Professoren‹, die je nach Stimmung und Anlass ihr Repertoire auswählten; in diesem Fall spielt der ›Professor‹ den Tiger Rag, den er dem Neugeborenen widmet, nachdem er erfährt, dass Hattie einen Jungen geboren hat. In Take 11 spielt und singt er den Song Pretty Baby, den er am Nachmittag eingeübt hat (Take 10); diese Szene bestätigt den oben bereits erwähnten Aspekt, dass die Pianisten auch


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