- 23 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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und Mutter zuwiesen. Der Skandal des Films sei keinesfalls geplant gewesen, so Malle später.53

53
Vgl. Malle in French (1998), S. 44

Stilistisch betrachtet stellt Les Amants in vielen Aspekten das Gegenteil des Debüts Ascenseur pour l’échafaud dar. Der Film spielt größtenteils in der Provinz, es herrschen lange Einstellungen vor, und anstelle von Jazz setzt Malle vorwiegend klassisch-romantische Musik ein, nämlich Ausschnitte der ersten beiden Sätze des Streichsextetts B-dur op. 18 von Johannes Brahms.

  Die Musik in Les Amants

Neben dem bereits erwähnten Streichsextett montiert Malle zeitgenössische Musikstücke, die direkt durch den im Bild dargestellten Ort motiviert sind. In den Segmenten 17–19 verwendet er drei verschiedene Musikstücke, die für eine Kirmes bzw. eine Tanzbar typische Klänge enthalten.

Diese Musik im On hat für den Film keine tiefere Bedeutung, sie dient der Kennzeichnung des Ortes, nämlich der Großstadt Paris, die sich durch die (für die 50er-Jahre) moderne Musik, der mondänen Tanzmusik, deutlich vom provinziellen Dijon, bzw. dem Haus ›Montauger‹ der Tourniers abhebt, ein Haus, in dem im restlichen Film ausschließlich das Streichsextett erklingt. Gleichzeitig wird aber auch die Gesellschaft, in der sich Jeanne in Paris befindet, gekennzeichnet: eine von Vergnügungssucht und Oberflächlichkeit geprägte Bourgeoisie, die in Maggy ihre typische Vertreterin hat. Entsprechend Malles Kommentar, die erste Hälfte des Films sei »eine Satire über den Sittenkodex der französischen Oberschicht in den späten Fünfzigern«,54

54
Ebda., S. 46
ironisiert gerade die Musik in der Tanzbar treffend die lächerlichen Pläne Raouls, der sagt, er werde nach Dijon ziehen, um jede Nacht ›comme un voleur‹55
55
›wie ein Dieb‹
ins Haus der Tourniers einzusteigen, während im Hintergrund fortlaufend ›amor, amor, amor . . . ‹ gesungen wird. Letztendlich ist es nicht er, der wie ein Dieb in Jeannes Zimmer gelangt, sondern Bernard. Die Regieanweisungen zu dieser Szene geben weiteren Aufschluss über die Intention des Regisseurs: »La musique est assourdissante [. . . ]. La musique est si bruyante qu’on entend à peine les répliques qui vont suivre [. . . ]. Cette ambiance rend ce dialogue d’amour un peu ridicule et en tout cas déplacé, en un tel lieu.«56
56
»Die Musik ist betäubend laut [. . . ] Die Musik macht einen derartigen Lärm, dass man kaum die folgenden Antworten versteht [. . . ] Unter diesen Bedingungen wirken die Liebesbekundungen ein wenig lächerlich, auf jeden Fall an diesem Ort fehl am Platz.« (»Les Amants – découpage et dialogue«. In: L‘Avant-Scène du Cinéma 2 (3/61), S. 3–36, hier S. 17)

Die Musik schafft an dieser Stelle folglich ein Ambiente, das die intime Zweisamkeit des Pärchens beinahe ins Groteske verfremdet. Gleichzeitig kommentiert sie auch diese Szene, indem sie Jeannes Suche nach der wahren Liebe ironisiert.

In erster Linie dominiert jedoch die Musik von Johannes Brahms. An sechs verschiedenen Stellen ertönen Ausschnitte des Streichsextetts, wobei besonders der II. Satz des Werkes (Thema mit Variationen) eine wichtige Rolle spielt; er erklingt in fünf Takes, während der I. Satz nur einmal eingesetzt wird.


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