- 271 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
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die Filmbetrachter in der Lage waren, in den Film eingebundene Verweise und Zitate zu erkennen und zu dechiffrieren.

In diesem Kontext ist die ästhetische Position Louis Malles zu sehen, der sich zwar keiner Strömung der Nouvelle Vague verpflichtet fühlte, aber mit seinen Altersgenossen die Leidenschaft für den Film und die Überzeugung der Notwendigkeit eines Lösens der Erstarrung der französischen Filmproduktion teilte und zudem eine ähnliche filmische Bildung durch ciné-clubs und die Cinémathèque genossen hatte. Zweifellos sind die Filme Malles nicht mit der experimentellen Filmsprache Godards oder des frühen Resnais zu vergleichen, sie bedienen sich in ihrer Mehrzahl auch nicht der Ästhetik des kritisierten cinéma de qualité. In Bezug auf das Verhältnis von Regisseur und Filmbetrachter und von Filmbetrachter und Werk sei an dieser Stelle André S. Labarthe zitiert:

»[...] il est évident qu’un film comme Marienbad préconise une forme de ›rapport au publique‹ qu’ignorent la plupart des produits de Clouzot ou Autant-Lara. Autrement dit (et on pourrait aussi bien prendre des exemples chez des compositeurs modernes), il semble que ce qui constitue l’apport essentiel de l’art (et du cinéma moderne) soit la manière dont les créateurs ont inclu le spectateur dans le projet même de leur création.«705

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Labarthe in »Trois points d’économie«, S. 100: »[. . . ] es ist offensichtlich, dass ein Film wie Marienbad eine Art des Verhältnisses zum Publikum erforderte, die die Mehrzahl der Filme Clouzots und Autant-Laras nicht kannte. Anders gesagt (und man könnte ebenso gut auch Beispiele zeitgenössischer Komponisten anführen): Es scheint, als wenn der wesentliche Beitrag von Kunst (und des modernen Kinos) in der Art und Weise besteht, wie die Schöpfer den Rezipienten in ihre Kreation mit einbeziehen.«

Labarthe unterscheidet offensichtlich zwischen einem aktiven Teilnehmen und einer persönlichen Interpretation des Gesehenen auf der einen Seite und einem eher passiven Unterhaltenwerden auf der anderen. Gleichzeitig bewertet er den Miteinbezug des Rezipienten in das Werk als wesentlichen Aspekt der Kunst im Allgemeinen.

Das Werk Louis Malles entspricht dem Anspruch Labarthes auf die Weise, als dass Malle seine Filme als Ausgangspunkt und Anregung für eine persönliche Reflektion des Filmbetrachters ansieht. Es nimmt demnach in Bezug auf den Kommunikationsprozess von Werk und Publikum eine Zwischenposition zwischen dem oben zitierten anspruchsvollen Werk Resnais’ und den Filmen der letztgenannten Regisseure ein. Malle fordert vom Rezipienten mehr als nur ein passives Unterhaltenwerden. Diese rezeptionsästhetische Haltung Malles zeigt sich nicht nur in seinen Statements zu ›Skandalfilmen‹ seiner Karriere bzw. in der ausführlichen Besprechung seiner Indien-Dokumentationen706

706
Vgl. Comolli/Narboni/Rivette (1969)
oder seiner moralischen Zurückhaltung bei der Inszenierung von tabuisierten Themen, sondern lässt sich auch in den musikalischen und teilweise auch visuellen Zitaten erkennen, die Malle in einem Teil seiner Filme verwendet. Obwohl es fraglich ist, ob Malle eine bestimmte Zielgruppe für die Rezeption seiner Filme anvisierte – die häufigen Genrewechsel und auf eine breite Publikumsschicht angelegte Produktionen wie Viva Maria entkräften diese These –, wird dennoch durch die Verwendung von musikalischen Zitaten als sinnbildende Elemente deutlich, dass es Malle um mehr ging als das simple ästhetische Vergnügen des Wiedererkennens für kunstbeflissene Zuschauer. Indem nämlich die

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