Parallelen zu
ästhetisch verwandten Regisseuren wie Robert Bresson, Jean Renoir, Ingmar Bergman
und Luis Buñuel deutlich, die ebenfalls mit präexistenter Musik gearbeitet haben. Als
Vorbilder können Renoir (Mozart in La Règle du jeu, 1939), Jean-Pierre Melville (Bach
und Vivaldi in Les Enfants terribles, 1949) und Bresson (Mozart in Un condamné à
mort s’est échappé, 1957) angesehen werden, die in jener Zeit in Bezug auf die
Verwendung von präexistenter Musik als Ausnahmen galten. In den folgenden
Jahrzehnten griffen neben internationalen Regisseuren wie Bergman und Kubrick
zahlreiche französische Filmemacher wie Bertrand Blier, Agnès Varda, Jean-Luc
Godard etc. auf die Art von Musikverwendung im Film zurück; allerdings mit
unterschiedlicher Anwendung. Während Malle in Le Feu follet beispielsweise
die Musik Saties weitgehend unverändert montiert, verwendet Godard häufig
Musik Beethovens als musikalisches Ausgangsmaterial, das er nach Belieben
verändert.713
Vgl. Interview mit Antoine Duhamel, der unter anderem die Musik zu Godards Pierrot le fou
(1965) beigesteuert hat. »Louis Malle, par exemple, s’est beaucoup intéressé à utiliser des
musiques existantes. Godard ne fait plus que ça, d’ailleurs: il les manipule bien et il a ainsi
plus l’impression de les inventer lui-même.« (»Louis Malle hat sich beispielsweise sehr viel
mit der Verwendung von bereits existierender Musik beschäftigt. Godard verfährt übrigens
nur noch so: Er manipuliert die Musik in starkem Maße und hat so eher den Eindruck,
als erfinde er sie.«) zit. n. Dastugue, Gérard: »La Nouvelle Vague d’Antoine Duhamel«. In:
www.musiquedefilm.com (Stand: 04. 07. 2001)
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Louis Malle ähnelt Regisseuren wie Bresson und Rohmer in Bezug auf die
wirkungsästhetische Haltung einer Abkehr von der traditionellen Filmmusiksprache
Hollywoods:
»De fait, la règle d’économie que se donnent, par méfiance des solutions
toutes faites et des émotions pré-emballées, pré-signifiées auxquelles semble
porter la musique, plusieurs auteurs-réalisateurs français, comme Robert
Bresson, Eric Rohmer, plus tard Jacques Rivette ou Louis Malle dans certains
de leurs films, conduira ceux-ci à adopter des solutions radicales.«714
Chion, Michel: La musique au cinéma. Paris: Fayard 1995, S. 148 (»So führt
das Gesetz der Ökonomie mehrere Autoren-Regisseure wie Robert Bresson,
Eric Rohmer und später Jacques Rivette und Louis Malle aus Misstrauen vor
vorgefertigten Lösungen und verpackten Emotionen mit Signalcharakter, die
die Musik zu tragen scheint, zu radikalen Lösungen.«)
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Chion spricht einen Punkt an, der auch aus Malles Zitat herausscheint, welches an den
Anfang dieser Untersuchung gestellt ist, nämlich das Misstrauen vor der emotionalen
Kraft und Beeinflussung durch die Musik: »Il s’agit [. . . ] sans doute d’éviter
l’effet de catalyse émotionelle, de précipitation des significations (disant: c’est là
que vous pouvez vibrer, pleurer) qu’une musique risque toujours de produire
[. . . ]«715
Ebda. »Es gilt [. . . ] vor allem, den Effekt der emotionalen Katalyse und die Überwältigung
von Bedeutungen zu vermeiden (sprich: an dieser Stelle können Sie zittern, weinen), die eine
Musik stets mit sich zu führen riskiert [. . . ]«
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Luis Buñuel zeichnet sich durch ein ähnlich skeptisch-ambivalentes
Verhältnis zur Musik aus: »Ich glaube, dass Musik etwas Verräterisches
an sich hat. Sie kann Schwächen in der bildlichen Konzeption einer Szene
maskieren.«716
zit. n. Eder, Klaus u. a.: Luis Buñuel. München/Wien: Hanser 1980, S. 43
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Während der spanische Regisseur in seinen frühen Filmen von der Musik Wagners
Gebrauch macht, sind die späteren Werke durch eine fast ausschließlich im On
verankerte Musik gekennzeichnet. Eric Rohmer limitiert die Verwendung ebenfalls strikt
im On
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