- 28 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?" 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (27)Nächste Seite (29) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Reminiszenzen des Films weit gefächerter. Das Drehbuch basiert auf einer Erzählung von Vivant Denon aus dem achtzehnten Jahrhundert, Point de lendemain, die Carte du tendre wird im Vorspann zitiert, und die Figur der Jeanne erinnert stark an die Protagonistin aus Flauberts Roman Madame Bovary. Neben diesen literarischen Quellen finden sich in der Sekundärliteratur auch zahlreiche Verweise zur Malerei. Janet Flanner vergleicht die Liebesszenen mit nackten Körpern auf Bildern von Henri Matisse,66

66
Janet Flanner in The New Yorker zit. n. Slide, Anthony: Fifty Classic French Films, 1912–1982. A pictorial record. New York: Dover Publications 1987, S. 100
Gertrud Koch sieht in den Pappeln der Anfangsszene und später bei der Autopanne den Einfluss Georges Seurats67
67
Koch (1985), S. 62 f.
und Malle selbst nennt den Maler Caspar David Friedrich als Inspiration für die Liebesszenen im Park.68
68
Malle in French (1998), S. 46
Der Einfluss des letztgenannten verdeutlicht die Intentionen Malles für den sich stilistisch abhebenden zweiten Teil des Films (ab Segment 45); die sinnliche Schilderung einer Liebesnacht war von Malle geplant: »[. . . ] die zweite Hälfte ist beinahe eine Hommage an den romantischen deutschen Maler Caspar David Friedrich. Diese Art von visuellem Statement wollte ich tatsächlich machen: sehr lyrisch, sehr romantisch. Mit Hilfe von Brahms gelang die Wirkung vollkommen [. . . ]«.69
69
Ebda.

Hier zeigt sich ein Aspekt der Intermedialität des Films: Dekor, Licht, Kameraführung und Musik zielen durch Verweise auf andere Kunstarten auf das Kreieren einer tief romantischen Stimmung hin, die freilich aus heutiger Sicht durch die Eindeutigkeit ihrer Mittel in Richtung Kitsch tendiert (Koch spricht in Bezug auf die »romantisch überhöhten Natur-Einstellungen« sogar von »ästhetischen Entgleisungen«70

70
Koch (1985), S. 65 f.
). Gleichzeitig wird deutlich, dass die Musik eindeutig die Atmosphäre des Films mitbestimmt (siehe obiges Zitat von Malle) und somit den Zuschauer durch die vermeintliche Suggestion von Emotionen beeinflusst. Kline sieht demnach im Film eine Mischung aus Hollywood und Sozialkritik à la Renoir, nicht zuletzt bewirkt durch den Musikeinsatz:

»By establishing this allusion to Renoir, Malle situates his film somewhere between Hollywood romance and social criticism. If the night of love between Jeanne and Bernard and the ›manipulative‹ use of Brahms’s romantic sextet cast the film in a romantic mold, the allusions to Renoir disturb that mold without totally destroying it.«71

71
Kline (1992), S. 28

So gibt denn auch Malle in einem Interview zu, dass die Verwendung von Musik in Les Amants von seinem ästhetischen Ansatz einer Musikdramaturgie abweiche:

»Yes, the other exception would be the use of the Brahms Sextett in The Lovers. It’s used in a conventional way because it brings a romantic mood into the love scene in that long, slow night shared by Jeanne Moreau and Jean-Marc Bory. It was beautiful but its use was almost manipulative. It72

72
Vermutlich handelt es sich hier um einen Druckfehler. I anstelle von It wäre plausibler.
was certainly trying to convey certain emotions.«73
73
Malle in Yakir (1978b), S. 10


Erste Seite (i) Vorherige Seite (27)Nächste Seite (29) Letzte Seite (363)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 28 -Fastenau, Volker: "...comme si on appuyait sur une sonette?"