- 16 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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inadäquater Interpretation bewahrt und immer schon bewahrt hat, soll der folgende Rückblick auf die Vorgeschichte der Rezeptionstheorie zeigen.«64
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Hans Robert Jauss, Rückschau auf die Rezeptionstheorie. Ad usum Musicae Scientiae, in: Rezeptionsästhetik und Rezeptionsgeschichte in der Musikwissenschaft, hrsg. v. Hermann Danuser und Friedhelm Krummacher, Laaber 1991, S. 14f.

In den nachfolgenden Ausführungen wendet sich Jauss von den spezifischen Problemen der Musikwissenschaft ab und – wie angedeutet – allgemeineren Aspekten zu. Bis hierher jedoch hat er zwei für die hier erhobene Fragestellung wichtige Gedanken zum Ausdruck gebracht: Erstens wird die Möglichkeit postuliert, daß ein ästhetischer Gegenstand das Potential besitze, Aussagen über seine Zeit hinaus zu beinhalten. Zweitens wird als Instanz für die Adäquatheit einer Interpretation auf die Gestalt des Werkes selbst verwiesen.

c.  Vorgehensweise und Methodik

Während sich die rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen von Wandel und Metzger auf alle Symphonien erstrecken und jede einzelne nur kursorisch behandeln bzw. eine exemplarisch herausgreifen, widmet sich die vorliegende Studie nur einer einzelnen Symphonie und zieht einige Wunderhorn-Lieder hinzu, deren Aussage als mit ihr verwandt beschrieben wurde (Adorno).

Ein erstes Untersuchungsfeld bildet die Biographie des Komponisten Mahler. Es steht zu prüfen, ob sich die in Rede stehende politische Ausrichtung seiner Musik von seinen individuellen Erfahrungen her verstehen ließe. Das heißt, ob Mahler – mehr als andere Komponisten seiner Generation – diejenigen Phänomene seiner Zeit erfahren mußte, die auf kommende »Katastrophen« vorauswiesen. Es stellt sich also die Frage nach seinen Interessen für gesellschaftliche Probleme und seiner Haltung dazu, nach seinen Berührungen mit politischen Konflikten, nach Persönlichkeiten, die ihn besonders beeindruckten und prägten und schließlich, konkreter, nach seinen Erfahrungen mit dem in Deutschland und Österreich-Ungarn wahrzunehmenden Militarismus und auch mit dem beginnenden Antisemitismus seiner Zeit. Es geht dabei lediglich um die Ausbreitung der in dieser Hinsicht existierenden Dokumente und Fakten.

Dagegen ist es müßig, grundsätzlich zu erwägen, wie stark Mahler als politisch interessierter Mensch der Jahrhundertwende eine Kriegsgefahr witterte und einen bevorstehenden großen Krieg für möglich hielt, eventuell mit besonderem Augenmerk auf die Perspektive Wiens, der Stadt, in der Mahler lebte und auch Zeitungen las. Zwar interessierte sich Mahler durchaus für die Presseberichterstattung seiner Arbeit, wie Zeitgenossen vielfach berichten, und die Berichterstattung von Aufführungen Mahlers – das Feuilleton – stand oder begann in den Wiener Presseorganen der Zeit häufig unten auf der ersten Seite, auf der Seite also, auf deren oberem Teil über die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen berichtet wurde. Von daher kann eine Wahrnehmung der politischen Ereignisse seitens Mahlers also angenommen werden. Von den allgemeinen Kenntnissen der politischen Geschichte der Jahrhundertwende aus ist es denkbar, daß die politisch und gesellschaftlich wachen Menschen jener Zeit eine drohende Kriegsgefahr witterten. Die politischen


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