- 161 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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hanno fatto in Auschwitz, Benjamin Brittens War Requiem, Krzysztof Pendereckis Threnos, um nur die wichtigsten zu nennen.

Ab 1929 erlebte der Antikriegsroman Im Westen nichts neues von Erich-Maria Remarque bahnbrechende Erfolge. Um die Verfilmung gab es politische Auseinandersetzungen bis in den Reichstag hinein und Krawalle auf den Straßen, die Zeitungen berichteten darüber in großen Schlagzeilen. Zeitlich parallel zu dieser Entwicklung, in der der Erste Weltkrieg kritisch reflektiert wurde, entstand die Kriegsvorahnungs-Interpretation zu Mahler bei Redlich und Adorno. Sie steht im Zeichen der Mentalität einer kritischen Haltung zu diesem Krieg, wie sie sich in verschiedenen Kultursphären niederschlug.

e.  Fazit

  • Die Idee, daß Mahler in seinem Werk etwas vorausahne, ist schon früh – 1905, 1912, 1913 – im Mahler-Schrifttum präsent. Die wichtigen Autoren – Specht, Stefan und Adler – bringen diesen Gedanken zum Ausdruck. Sie führen ihn auf Mahlers eigene Äußerungen zurück.
  • Schon in seiner vor der Uraufführung verfaßten Einführung zur Sechsten äußert Specht, daß in der Symphonie eine Welt vernichtet werde. Diese Assoziation nennt er bis in die Zwanziger Jahre fortlaufend. Bemerkenswert ist, daß er schon 1913 von nicht mehr zu erreichendem Frieden spricht. Auch bei Paul Stefan ist vom Kampf und vom Untergang einer Welt die Rede, nicht vom Untergang eines Individuums.
  • In Stefans Buch von 1910 wird an der Sechsten die Schärfe der Militärmärsche hervorgehoben, die er in den Ecksätzen wahrnimmt. Auch Specht erkennt in den Außensätzen Mahlers Vorliebe für marschartige Rhythmen. Die semantische Funktion dieser Marschrhythmen wird nicht ergründet; eine Inbeziehungsetzung zum Krieg ist nicht feststellbar.
  • Nach 1918 beziehen die Autoren die Erfahrung des Krieges in ihre Interpretationen mit ein. Die Idee, Mahler habe den Krieg vorausgeahnt, findet sich vorerst jedoch eher andeutungsweise und bezieht sich auf sein Schaffen als Ganzes, nicht auf ein spezifisches Werk. Stefan äußert an einer einzigen Stelle, daß Mahlers Symphonien die Ahnung des Krieges beinhalte, während Specht versucht, aus Mahlers Werk insgesamt positive – tröstende und hoffnungsspendende – Energien zu gewinnen und darin die Verkündung humaner Werte zu sehen.
  • Die Idee der Vorahnung der politischen Ereignisse seit 1914 findet sich explizit zuerst im Mahler-Heft des Anbruch 1930 bei Redlich und Adorno. Redlich nennt zwar kein einzelnes Werk, aus dem Zusammenhang geht jedoch hervor, daß er vor allem die Sechste und Siebte Symphonie und die Soldatenlieder im Auge hat. Adorno sieht die Sechste zwar nicht als Vorahnung des Krieges, aber als Ausdruck der Krise der bürgerlichen Welt. In Adornos Ausführungen zur Sechsten finden sich Gedanken, Formulierungen und Bilder aus Richard Spechts Mahler-Texten wieder.


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