- 288 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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  Ästhetische Aspekte

Programmusik?


ein Programm hat Mahler seiner sechsten Symphonie nicht gegeben: er will nicht als Programmusiker aufgestellt sein und hat deshalb den Inhalt des Werkes auch nicht durch ein einziges Wort angedeutet [E06/B],

Ein Programm hat der Komponist seinem Werke nicht mitgegeben, es soll absolute Musik sein, und gegen das Vorhandensein eines bestimmten allgemeinen Programms spricht auch die in letzter Stunde vorgenommene Vertauschung des dritten mit dem zweiten Satze. [E06/C],

Das was man heute gewöhnlich unter Programmusik versteht, bringt Mahler [. . . ] auch in seiner neuen sechsten Sinfonie in A-moll nicht, er wählt auch nicht die von den Modernen bevorzugte einsätzige Form, sondern geht bezüglich des äußeren Aufbaus auf die vier Sätze der Klassiker zurück. Er gibt seinen Sinfonien ferner keinen programmatischen Titel, denn er will keine bestimmten Vorgänge in Tönen zur Darstellung bringen, sondern er hält sich in dieser Beziehung in den der Musik gezogenen natürlichen Grenzen, nur allgemeinen Stimmungen und Empfindungen verleiht er Ausdruck durch die Musik, er gibt also sogenannte »absolute« Musik, die allerdings trotzdem Programmusik im weiteren Sinne sein kann, in dem Sinne nämlich, daß äußere Anregungen den Komponisten zum Schaffen seines Werkes veranlaßt haben können. Aber auch solche etwa vorhandenen Anlässe legt Mahler nie durch Worte dar. In diesem weiteren Sinne kann selbstverständlich jedes Musikstück Programmusik sein, und ob und inwiefern es das ist, läßt sich natürlich nicht nachweisen, jedenfalls läßt sich aber in Mahlers sechster Sinfonie alles nach rein musikalischen Gesetzen erklären, ein Programm ist dazu nie und an keiner Stelle erforderlich. [E06/D],

wie ja auch diese Sinfonie als Ganzes keine Programmusik enthält. [E06/E]

Mahler stellt es entschieden in Abrede, Programmusiker zu sein. Wir glauben es ihm und wollen deshalb nicht so verwegen sein wie der Verfasser der Analyse, der das Scherzo mit »Von Riesen und Zwergen« und das Andante moderato »Gefilder [sic] der Seligen« überschreiben möchte. [E06/F]

Nach ihrer [der tiefen Glocken und Herdenglocken] Bedeutung darf nicht gefragt werden; denn Mahler hat absolute Musik geschrieben, keine »Programmusik«, wie von seinen Interpreten mit einer fast drollig wirkenden Leidenschaftlichkeit immer wieder betont wird. Als ob durch das Bekanntgeben eines poetischen Stichwortes eine Musik entwertet werden könnte. [E06/I]

Mahler will auch diesmal absolute Musik geben und überläßt es dem Hörer, sie zu deuten. Und so wenig die Sätze wie ihre einzelnen Glieder sich immer logisch aneinander entwickeln, wollen wir ihm doch glauben, daß keine anderen Anregungen zugrunde liegen, als wie sie jedes inspirierte Kunstwerk voraussetzt. [. . . ] Ein drittes Moment, das uns Mahler als typisch Modernen zeigt, ist die Theatralik seiner Musik. Es bricht in vielen Zügen hervor, oft schon im Ausdrucksgehalte der Themen, ganz unverhohlen aber im Finale. Das ist im Grunde Bühnenmusik, textlose Oper. [E06/J]

Vielleicht liegt demselben [dem Finale] doch ein programmatischer Vorwurf zugrunde. Die Tonmalerei durch Glocken, Herdenglocken etc. muß sich doch auf einen bestimmten Untergrund stützen, da man an einer Stelle sogar deutlich das Quaken der Frösche hört; daß ein solcher nicht angegeben ist, gereicht der Tonmalerei nicht zum Vorteil. Mahler wollte vermutlich hier, wie im »Andante« oder »Scherzo« eine Art ländlicher Tongemälde zeichnen und dies in einer Art freien Phantasie. [E06/L]

Eine programmatische Andeutung wäre hier gewiß ebenso willkommener, wie nützlich [E06/M]

Ein »Programm« hat Gustav Mahler diesmal seiner Sinfonie nicht mitgegeben. Um so größer ist die Bestimmtheit und Deutlichkeit, mit der die Musik die Stimmungen anschlägt und auslöst. [E06/N]

Er hat auch diesmal auf das poetische Programm verzichtet, wie er ja überhaupt der Hauptvertreter der im Anfang gekennzeichneten zweiten Richtung der zeitgenössischen Musik ist, welche die Krücken der poetischen Anregung verschmäht. Ab deswegen schafft Mahler doch nicht ohne zureichenden Stimmungsgrund. [. . . ] Die 6. Sinfonie ist also sicher als das bedeutendste Erzeugnis auf dem Gebiete der programmlosen Musik zu bezeichnen. [E06/P]

Er schreibt Programmusik ohne Programm. Das ist ungeheuer spannend. Man kann sich soviel dabei denken. [E06/Q]


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