- 10 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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dieser Arbeit aber gerade die Synthese einer musikalisch sinnvollen Interpretation eines ganzen Stückes sein sollte, kamen Orchesterwerke nicht in Frage.

Musik für ein Soloinstrument ist für die Arbeit mit Rubato am besten geeignet. Besonders das Klavier erweist sich aufgrund seines ziemlich realitätsgetreuen MIDI-Klangs und seiner im Vergleich zu anderen Instrumenten stark eingegrenzten interpretatorischen Möglichkeiten als eine hervorragende Wahl: Es benutzt kein Vibrato, kann nach dem Anschlag keine Veränderung der Lautstärke vornehmen, und lässt sehr wenig Spielraum für eine interpretatorische Benutzung der Klangfarbe übrig. Diese Einschränkungen sind beim jetzigen, frühen Stand der Performanceforschung von Vorteil, denn sie reduzieren die Anzahl der zu verformenden Parameter auf drei (Agogik, Artikulation und Dynamik), so dass der Analyse- und Interpretationsvorgang gut überschaubar bleiben kann.

Die Etüden von Chopin haben alle Merkmale eines zur Analyse und Interpretation mit Rubato passenden Objektes. Sie sind für Soloklavier komponiert worden und haben eine der Rubato-spezifischen Arbeitsbedingungen angemessene Stimm- und Taktanzahl. Noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass sie sowohl als Etüden einen beachtlichen Anteil von Redundanz im musikalischen Material aufweisen – und somit überschaubar bleiben –, als auch musikalisch sehr reich und ausdrucksvoll sind.

Eine Performance aller Etüden hätte den Rahmen dieser Arbeit bei weitem gesprengt, so dass eine Auswahl notwendig war. Da die beiden letzten Etüden des Opus 25 seit mehreren Jahren eine starke sowohl ästhetische als pianistisch-technische Faszination auf mich ausüben, wurden sie zu den Objekten dieser Forschungsarbeit.

1.2.  Geschichtlicher Hintergrund

Chopin hat insgesamt 27 Etüden komponiert, die in drei verschiedene Gruppen eingeteilt sind: jeweils zwölf in den Opp. 10 und 25, und drei (ohne Opuszahl) für Moscheles’ und Fétis’ zweiten Band der Méthode des méthodes. Diese Etüden – und besonders die 24 ersten – haben in der Klaviertechnik für eine kleine Revolution gesorgt:

The études are a workshop in Chopin’s piano technique, which was by common consent strikingly individual, predicated on a ›natural‹ hand shape (with B major as the paradigmatic scale), and on an acceptance, controversial at the time, of the imbalance and functional independence of the fingers. [...] Moreover, in the interests of fluidity of movement and evenness of tone he was prepared to sanction unorthodox fingerings, as in the detailed autograph fingerings in the second étude [Op. 10]. [Chopin] was happy, for instance, to use the thumb on the black keys not only in the fifth (›black key‹) étude, where we would of course expect it, but also in the sixth, where it helps the performer maintain the legato of the countermelody alongside the sustained bass notes (Michalowski/Samson [2001], S. 715).

Dass die Etüden noch heute als ein Fundament der modernen Klaviertechnik betrachtet und verhältnismäßig oft im Konzert gespielt werden, liegt jedoch nicht nur an den revolutionären Fingersätzen, die von Chopin eingeführt worden sind,


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