sondern auch an
der starken Ausdruckskraft dieser Stücke. Die einzigartige Kombination von
pianistisch-technischer Virtuosität und ausgeprägter Musikalität, die in den Etüden
beobachtet werden kann, ist wohl in der Musikgeschichte noch nicht übertroffen
worden:
Unlike the virtuoso études of Liszt and Thalberg, Chopin’s op.10 retains
a link with the ›school étude‹ [developed at the Paris Conservatoire at
the turn of the century], addressing one principal technical problem in
each piece and crystallizing that problem in a single shape or figure. But
it goes without saying that he achieved a balance between technical and
artistic aims which was unprecedented in the earlier history of the genre.
As Schumann remarked, »imagination and technique share dominion side by
side« (Michaowski/Samson [2001], S. 715).
Wegen der mangelhaften Quellenlage ist sehr wenig über die Entstehung der beiden
hier als Objekte betrachteten Etüden geschrieben worden. Selbst das genaue
Entstehungsdatum ist zweifelhaft: Das Op. 25 wurde laut Chopin/Zimmermann [1983]
zwischen 1832 und 1836, laut Michaowski/Samson [2001] aber zwischen 1835 und
1837 komponiert. Alle Quellen sind sich jedoch darüber einig, dass das Op. 25
der Comtesse Marie d’Agoult – der Mutter von Liszts Kindern – gewidmet
ist.
Eine für die Analyse überaus wichtige Tatsache ist, dass »Chopin [. . . ] seine Etüden
[. . . ] nicht im Sinne von Zyklen konzipiert, sondern die verstreut entstandenen Stücke
erst nachträglich zu gattungsgebundenen Gruppen zusammengefasst [hat]«
(Chopin/Zimmermann [1983], S. iv). Auch wenn die Jahre der Entstehung
vielleicht ungenau sind, gibt James Huneker indirekt eine weitere Bestätigung
für den nichtzyklischen Charakter der Etüden: »Nieck thinks these Studies
were published in the Summer of 1833, July or August, and were numbered
opus 10. Another set of Studies, opus 25, did not find a publisher till 1837,
though a number of them were composed at the same time as the previous work«
(Chopin/Mikuli [1916], S. iii). Somit sei bewiesen, dass die Analyse einzelner Etüden
aus diesem Zyklus, ohne die anderen zu betrachten, durchaus methodologisch richtig
ist.
1.3. Notentext
Als Grundlage für den Notentext wurden drei Ausgaben betrachtet: die polnische
Gesamtausgabe (Chopin/Paderewski [1949]), die Ausgabe von Schirmer (Chopin/Mikuli
[1916]) und der Urtext von Henle (Chopin/Zimmermann [1983]). Aufgrund ihres
detaillierten kritischen Berichts, ihres späteren Erscheinungsdatums und der von
Zimmermann in einem separaten Artikel (Zimmermann [1984]) überzeugend dargelegten
Problematik der Quellenkunde wurde die Henle-Ausgabe für die Erstellung
eines computerlesbaren Notentextes benutzt. Als besonders ausschlaggebend
zeigte sich folgender Abschnitt aus dem Vorwort des Urtextes von 1983, in
welchem der Herausgeber auf einen wichtigen Schwachpunkt der Gesamtausgabe
hinweist:
Wenn die handschriftlichen Quellen abweichende Lesarten aufweisen, so
dürfen sie gewiss nicht in allen Fällen als Fehler oder Flüchtigkeiten gedeutet
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