- 180 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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Gewichts verknüpft werden, was vom musikalischen Standpunkt aus nicht nachvollziehbar ist. Streng genommen zeigen folglich noch weniger als die 14 herausfiltrierten Gewichte wirklich eindeutige Übereinstimmungen mit Resultaten der traditionellen Analysen; die anfangs vermutete Verschiedenartigkeit zwischen traditionell und mit Rubato erzeugten musikanalytischen Resultaten wird dadurch bestätigt.

Bei allen hier ausgeführten Experimenten mit der Software Rubato ist versucht worden, die workstation aus einer rein musikwissenschaftlichen Perspektive einzusetzen, ein Blickwinkel, der vielfach nicht zufriedenstellte. Neben mehreren Eingrenzungen, die das NeXTStep Betriebssystem u. a. bei der Hardwareerkennung mit sich bringt3

3 Es konnte beispielsweise aufgrund obskurer Probleme kein Netzwerk eingerichtet werden, so dass alle Dateien auf eine Dos-FAT32-Diskette im alten 8-Charakter-Format kopiert werden mussten (obwohl sowohl NeXTStep als auch Windows längere Dateinamen benutzen können). Moderne Grafikkarten konnten nur im schwarz-weiss-Modus in 640X480 laufen. Für die Soundkarte gab es keine passenden Treiber. Schließlich musste die Fesplatte physikalisch kleiner als 3,5 GB sein.

, zeigten sich einige Aspekte der Software als musikalisch unintuitiv. Probleme, dass beispielsweise Bindebögen als einfache legati für jede der betroffenen Noten kodiert werden, anstatt eine musikalische Einheit von der ersten bis zur letzten Note zu bilden, blieben als störende Faktoren bestehen. Auch die Unmöglichkeit, Gewichte innerhalb Rubatos mit einer grafischen Repräsentierung des Notentextes (Pianola- oder Notensatzdarstellung) vergleichen zu können, sowie die Notwendigkeit, die zweitaktigen Rasterstriche aufgrund der Abwesenheit von Zahlen bei jedem Gewicht manuell zählen zu müssen, erwiesen sich als unnötig schwierig. Diese Kritikpunkte sind aber mit relativ nebensächlichen Aspekten der Software verbunden und könnten in einer zukünftigen Version verbessert werden.

Aus musikalischer Perspektive hat Rubato aber in dieser Forschungsarbeit prinzipielle Probleme verdeutlicht, deren Ursprung auf die Rubetten, und dadurch indirekt auch auf die MaMuTh zurückzuführen ist. Ein Grundgedanke, der implizit hinter den Rubetten steht, ist, dass jegliche tonale Musik westlicher Tradition unabhängig von ihrem Stil mit einer kleinen Anzahl von universellen mathematischen Konzepten erklärt werden kann. Diese in den verschiedenen Rubetten implementierten Konzepte sind ohne Zweifel sehr elegant. Das Vorhandensein einer Kluft zwischen mathematischer und traditionellen Musiktheorien zeigt aber, dass die Resultate der Rubetten zwar immer einen (eleganten!) mathematischen, aber nur in seltensten Fällen auch einen musikalischen Sinn ergeben (siehe z. B. die Fußnote 11 auf S. 255, oder Abbildung 11.1 auf S. 352). Grundlegende Konzepte der Musik wie Rhythmus, Melodie oder Thema werden bei der Analyse mit den Rubetten wenn überhaupt dann nur durch Zufall berücksichtigt.

Wenn die Nützlichkeit der Rubetten in Bezug auf die Musikwissenschaft sich als stark eingegrenzt gezeigt hat, so bleibt doch Rubato nach wie vor reizvoll. Die Resultate einer Analyse des Notentextes akustisch umzusetzen sowie die Gewichte bleiben vielversprechende Konzepte, um zu einem besseren Verständnis der Musik und des Musizierens zu kommen. Die Modularität Rubatos würde es ohne weiteres ermöglichen, neue analytische Rubetten zu entwickeln, die auf einem anderen, der Musikwissenschaft näheren theoretischen Hintergrund stehen würden. Es würde den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen, solche Module zu definieren, gar zu implementieren, aber dennoch sollen hier ein paar Gedanken vorgestellt werden.


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