- 20 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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An ›authentic‹ performance [...] will certainly take historical evidence into account when appropriate [...]; it will be analytically defensible [...]; and it will display technical control, but it will also reflect, and ultimately shaped by, the performer’s individual artistic perspective, which determines the very musical statement to be articulated by the interpreter, in an inspired act transcending the merely ›correct‹ (Rink [1994], S. 215).

Die von Rink genannte Invidualität eines Interpreten ist ein zusätzlicher, wenn nicht überhaupt der wichtigste Grund für den Mangel an wissenschaftlicher Literatur über die Interpretation von Werken. Es besteht ein unlösbarer Konflikt zwischen der musikalischen Notwendigkeit, eine Interpretation persönlich zu gestalten, um auf diese Weise das einfache Nachspielen einer schon existierenden Interpretation zu vermeiden und der wissenschaftlichen Notwendigkeit, einen möglichst vollkommen nachvollziehbaren musikalischen Diskurs zu halten. Je mehr ein Pianist seine persönliche Interpretation in den Vordergrund stellt, desto mehr wendet er sich von der Wissenschaft (im gerade definierten Sinne des Begriffes) ab, und umgekehrt. Im spezifischen Fall der Interpretation von Chopins Musik ist noch das zusätzliche Problem zu lösen, dass selbst der musikwissenschaftliche Ansatz nur begrenzt hilfreich sein kann: »›Authenticity‹ [...] is a concept which has a very limited application to performing Chopin« (Methuen [1981], S. 229).

In der recht mageren Literatur über Chopin-Interpretation wird wenig über Artikulation, Dynamik und (Grund-)Tempo, dafür aber sehr viel über das für den Komponisten charakteristische rubato debattiert. Badura-Skoda [1984] und Methuen [1992] sind sich darüber einig, dass Chopin die Begleitung im strikten Tempo behielt, während er die Melodie mal schneller, mal langsamer werden ließ. Laut Rowland [1994] sei das rubato in einigen Fällen sogar eine Art Ornamentierung, weil Chopin diese Angabe oftmals bei der Wiederholung eines Satzes oder eines halben Satzes notiert hat.

Weiterhin trifft die Frage der Pedalbenutzung nicht auf allgemeine Zustimmung. Badura-Skoda ist der Ansicht, dass die vorhandenen Anweisungen skrupulös respektiert werden sollten: »Le développement de la facture de pianos de ces cent cinquante dernières années ne doit aucunement faire écarter les indications de pédales de Chopin: ce qui convient à un Pleyel de 1840 devrait sonner tout aussi bien sur un piano de concert moderne« (Badura-Skoda [1984], S. 127). Das Fehlen von Anweisungen könne eins der drei folgenden Gründe haben: a) Chopin wollte an den entsprechenden Stellen kein Pedal, b) er meinte simile, ohne es deutlich anzugeben, oder c) er ließ den Pianisten frei über das Pedal verfügen. Wie schon erwähnt, vertreten aber Autoren wie Collet, Chechlińska und Methuen die entgegengesetzte Meinung (vgl. S. 20) – zu recht. Da ein Pleyel tatsächlich über weniger Klangfülle und Resonanz als ein moderner Konzertflügel verfügt(e), müssen Badura-Skodas Argumente verworfen werden. Auf einem modernen Flügel ist es beispielsweise unmöglich, bei niedergedrücktem Pedal eine Tonleiter zu spielen, ohne dadurch einen künstlerisch wohl kaum vertretbaren klanglichen Brei herzustellen (Abbildung 2.1).

2.2.2.  Analysen der Etüden Op. 25 Nr. 11 und 12

Unter dem Gesichtspunkt ihrer Berühmtheit sind nur wenige Analysen der Etüden publiziert worden. Clinchard schrieb vor etwa drei Jahrzehnten dazu: »There is a need


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