- 50 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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  • Schließlich sollte beachtet werden, dass in Abbildung 4.1 – anders als in einem Notentext – die graphische Repräsentation der Bindebögen bis zum Ausklingen der letzten Note ausgedehnt wurde, und nicht nur bis zu ihrem Anschlag, wie Abbildung 4.5 verdeutlicht.



    Abbildung 4.5: Etüde Nr. 11, T. 5-6, linke Hand. Repräsentation der Bindebögen.


  • Aus der grafischen Darstellung (Abbildung 4.1) kann man klar herauslesen, dass im Hinblick auf die Artikulation und die lokale Dynamikveränderung der Unterschied zwischen linker und rechter Hand das bedeutendste Merkmal der Etüde Nr. 11 ist. Zum einen hat die rechte Hand bis auf die zwei Akzente in T. 87 durchgehend Bindebögen, die nie kürzer aber meistens bedeutend länger als die der linken Hand sind. Dieses deutet auf eine sehr in die Länge gezogene, horizontale Phrasierung hin, die im Kontrast mit den deutlich kürzeren, senkrechten Kommentaren der Unterstimme steht. Deren fast martialischer Aspekt wird noch dadurch betont, dass bis auf wenige Ausnahmen die Akzente, forzati und staccati in der linken Hand vorkommen.

    Ein weiterer, sehr bedeutender Unterschied zwischen beiden Stimmen besteht darin, dass die Oberstimme durch ihre voll- bzw. mehrtaktige Bindebögen das Metrum verstärkt, die Artikulationen der Unterstimme aber genau das Gegenteil bewirkt. Diese metrische Instabilität findet ihren Ursprung in den T. 3–5, besonders auf der letzten Viertelnote von T. 4, wo ein mit einem Orgelpunkt versehener Dominantseptakkord sichtlich auf eine Auflösung wartet, die mit T. 5 auch tatsächlich eintritt (Abbildung 4.6). Diese Auflösung wird von Chopin durch einen Bindebogen mit den zwei vorherigen Takten verbunden, vom darauffolgenden Satz jedoch getrennt, was zur Destabilisierung des metrischen Gefühls führt.

    Da der Puls nicht dem einer Viertel- sondern einer halben Note entspricht, durchschneiden die Hemiolen der Unterstimme in den T. 9–11, 17–21, 27–28, 35–37 und 73–75 oftmals den metrischen Puls. Der dadurch entstehende auftaktige Charakter wird noch deutlicher betont, indem jeweils auf der zweiten Hälfte eines Pulses ein Akzent notiert ist (vgl. T. 9–10, 17–18, 27–28, 35–36 usw.). Die zahlreichen staccati, die sich auf der ersten Viertelnote der jeweiligen Takte finden, haben ebenfalls eine destabilisierende Funktion.

    Schließlich soll hier eine Liste von spezifischen Eigenschaften aufgestellt werden, die bei der Interpretation eine Rolle spielen könnten:

    • Pausen sind selten, und interessanterweise sind sie stets in der Unterstimme allein oder in beiden Stimmen gleichzeitig vorhanden, aber nie in der Oberstimme allein. Die sechs Stellen, an denen beide Hände pausieren, heben sich sehr stark von ihrem

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