5.2. Der Hamburger Orchesterwettbewerb 1995
Die teilnehmenden Ensembles des vom Deutschen Musikrat ausgerichteten ›Deutschen
Orchesterwettbewerbs‹ (s. Kap. 3.4) werden in Landeswettbewerben jeweils im Vorjahr
mittels eines Wertungsspiels ermittelt. Die Durchführung dieser Vorentscheidung liegt in
der Verantwortung des Landesmusikrates. Eine Videoaufzeichnung vom Hamburger
Orchesterwettbewerb 1995 vermittelt einen optischen und akustischen Eindruck von vier
der fünfzehn per Fragebogen angeschriebenen Orchester. Zwei Ensembles wurden bei
der Befragung der Kategorie V, zwei der Kategorie S zugerechnet. Da sich die
V-Orchester der Ausscheidungswertung nicht stellten (sie erfüllten nicht alle
Teilnahmebedingungen6
6 Der Prozentsatz von ›ausgebildeten‹ Musikern, d.h. nach der Ausschreibung auch
Musikstudierende und studierte Musiker, selbst wenn sie nicht in einem entsprechenden
Beschäftigungsverhältnis stehen, ist auf 10 % begrenzt und wurde in diesen Fällen sicher
überschritten. (DEUTSCHER MUSIKRAT: Ausschreibungstext zum 4. DOW 1996,
S. 8.)
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),
war die Veranstaltung als ›Begegnung Hamburger Orchester‹ konzipiert, die neben den
klassischen Laiensinfonie- und Kammerorchestern auch Mandolinen-, Gitarren- und
Jazzorchester sowie eine Big band-Formation und damit insgesamt neun Ensembles
zusammenführte. Der NDR hatte ein Studio zur Verfügung gestellt, der Landesmusikrat sorgte
für eine Fotodokumentation, einen Audio-Mitschnitt, der später von den Mitwirkenden
erworben werden konnte, und eine Videoaufnahme, die für den Offenen Kanal bestimmt
war.7
7 Begrüßung durch einen Vertreter des Landesmusikrates (W. HILBERT).
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Die Veranstaltung war öffentlich, jedoch sehr schwach besucht. Die Jury setzte sich aus
drei Berufsmusikern zusammen, einem Dirigenten aus Schwerin, einem Hornisten aus
Detmold und einem Bratschisten aus Köln.
Folgende optische und akustische Erkenntnisse ließen sich über das Verhalten der
vier Laienorchester in einer Wettbewerbs- bzw. Konzertsituation mittels der
Videoaufzeichnung gewinnen: Alle Mitwirkenden trugen festliche Kleidung. Alle
Ensembles bemühten sich um einen geordneten Auftritt auf die Bühne. Ferner war
eine körpersprachlich sichtbare Nervosität vor Beginn des Vortrags und eine
deutliche körperliche Anspannung und Konzentration während des Spiels zu
beobachten.
Bei den beiden S-Orchestern, die ein Pflichtstück des Orchesterwettbewerbs (erster
Satz aus Brittens ›Simple symphony‹) sowie ein weiteres Stück nach Wahl vortrugen,
waren vorrangig Mängel in der Intonation wahrnehmbar. Beide Orchesterleiter
waren keine Berufsdirigenten. Das erste Orchester wählte eine Sitzordnung, bei
der die Celli in der Mitte und die Violinen II rechts außen plaziert waren. Das
Ensemble wies ein recht hohes Durchschnittsalter auf, besonders die Violine I war
überwiegend mit älteren Damen besetzt. Die gesamte Mitgliederzahl betrug 25
Instrumentalisten/-innen. Das Dirigat ihres Leiters offenbarte grundlegende
schlagtechnische Mängel, mit denen das Orchester aber offensichtlich vertraut war. Das
Zusammenspiel orientierte sich im Verlauf des Vortrags eher an der erarbeiteten
Vorstellung des Gesamtklangs des Werkes als an der dirigentischen Zeichengebung.
Zudem war ein viel zu langsames Tempo für das Pflichtstück gewählt worden. Das zweite
Orchester saß in konventioneller Sitzordnung (Celli rechts außen) und zählte
27 Mitglieder, davon 50 % Frauen. Das Durchschnittsalter betrug ca. 35–40
Jahre. Das Dirigat des Leiters konnte vor allem rhythmische Schwächen, die
offenbar in der Probenphase nicht ausgeräumt werden konnten, auch in der
Aufführungssituation
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