- 140 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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nicht beheben. Außer dem Pflichtstück trug dieses Orchester ein avantgardistisches Werk vor (Jan Dvorak, ›Quarantäne‹), das trotz größter Konzentration durch Unsicherheiten (mangelnde Klangvorstellung?) in der Intonation und im Wechsel mit den vorgesehenen Sprechteilen Einbußen seiner Wirkung erlitt.

Die beiden V-Orchester standen dagegen unter der Leitung von Berufsdirigenten. Orchester V-1 trat in einer Besetzungsstärke von 27 Instrumentalisten/- innen auf.8

8 Gegenüber der ›Normalbesetzung‹ (2.2.2.2.-2.2.0.0.- 1.) war diese Zahl reduziert, da das Werk nur eine einfache Bläserbesetzung vorsieht.
Da das Werk (Françaix, ›Der hinkende Teufel‹) zwei Solosänger vorsah, bot der programmatische Inhalt der Dirigentin Gelegenheit, vor Spielbeginn auf das Werk formal und inhaltlich einzugehen. Dies führte bei Spielern wie Zuhörern zu einer sichtbar aufmerksamen Erwartungshaltung.9
9 Leider war die Kameraführung im Verlauf des Vortrags auf die Solisten gerichtet, so daß Dirigat und Spiel des Orchesters wenig sichtbar wurden.
Der Höreindruck vermittelte eine musikalisch und spieltechnisch solide Leistung des Orchesters. Vor allem die Solobläser waren gefordert, während der Streichersatz keine allzu großen spieltechnischen Hürden aufstellte. Das Bemühen und die Freude, neue Wege zu gehen, und dies dem Publikum mitzuteilen, war mimisch, gestisch und körpersprachlich sichtbar und in der Präzision und Leichtigkeit des Spiels auch hörbar. Die Wahl des Werkes kann als geschickt betrachtet werden: es war für Spieler wie Zuhörer weitgehend unbekannt, musikalisch interessant und durch die Sänger mit einer Handlung versehen. Gute Laien-Bläser konnten sich einer solistischen Aufgabe stellen oder hätten gezielt durch professionelle Aushilfen ergänzt werden müssen. Die Gesangspartien mußten professionell besetzt werden, was sich auf die Werkinterpretation des Orchesters positiv auswirkte. Orchester V-2 stellte mit über 60 Musikern das größte Ensemble der Veranstaltung. Dvor áks symphonische Dichtung ›Der Wassermann‹ lud ebenfalls zu einem einleitenden Kommentar ein, der allerdings in diesem Fall von einem Orchestermitglied übernommen wurde. Dirigat und Körpersprache des Dirigenten vor und nach dem Auftritt ließen den Berufsdirigenten erkennen. Die Größe der Besetzung und die voluminöse Klangstruktur des Werkes rückten den Gesamtklang in den Vordergrund der Betrachtung. Ungenauigkeiten in Details konnten so kaum hörbar, bei den Streichern allenfalls durch die Bogentechnik sichtbar werden, exponierte Solostellen waren sorgfältig studiert und wurden vom Dirigenten gestisch unterstrichen. Dieser Vortrag hinterließ den Gesamteindruck des Versuchs einer musikalisch und optisch der Situation des kommerziellen Konzertbetriebes ebenbürtigen Präsentation. Die Unterschiedlichkeit der auftretenden Ensembles in Besetzung, Leistung und Darstellung dokumentierte die Vielschichtigkeit der Laienorchesterarbeit. Demzufolge trat das Kriterium einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für in sich geschlossene Ensemble-Kategorien, die den Ausgangspunkt der Veranstaltung darstellten, in den Hintergrund. Der Gedanke der Begegnung und des gegenseitigen Vorstellens der eigenen Arbeit rückte von selbst ins Zentrum der Wahrnehmungen. Eine größere Zuhörerschaft anstelle einer postierten Jury hätte die Situation einer Bewertung entschärfen und die gegenseitige Präsentation zu einem Wert an sich und damit zu einem Bildungsereignis in Form der unmittelbaren Anschauung und des Zuhörens werden lassen können.


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