- 167 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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6.3.  Orchesteremanzipation und Orchestermanagement

Die erwachsenenpädagogischen Aufgaben für den Dirigenten, wie sie im vorigen Kapitel skizziert wurden, erwachsen aus der Orientierung an den Teilnehmerinteressen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Wechselwirkung zwischen Bildungserwartung der Teilnehmer und Bildungsangebot der Dozenten, ggf. einer Institution, ist jedoch, daß die Teilnehmerinteressen auch geäußert und gebündelt dem künstlerischen Leiter vorgetragen werden müssen. Zur Bestimmung des gemeinsamen Arbeitszieles des Orchesters als Gruppe müssen sie in dem dafür notwendigen Maße aufeinander abgestimmt werden. Die einem erwachsenen Instrumentalisten (im Gegensatz zu Kindern und Jugendlichen) in der Regel bewußten spieltechnischen Unzulänglichkeiten sollten nicht als Barrieren wirksam werden mit der Folge, daß individuelle Erwartungen, Eindrücke und Verbesserungsvorschläge nicht verbalisiert werden (vgl. Kap. 5.3.4). Wenn ein Orchester zu einer bildungsorientierten und demokratischen Mündigkeit findet, vergrößern sich die Chancen, die als vordergründig angesehenen spieltechnischen Probleme zu lösen, erheblich. Wo das Orchester sich artikuliert, hat sich eine ›Vermittlerebene‹ zwischen Orchester und Dirigent etabliert, meist in Form eines mehrköpfigen ›Vorstandes‹ oder ›Beirates‹, eines oder mehrerer ›Sprecher‹ oder ›Organisatoren‹. Die Erfahrung zeigt, daß ein(e) ›organisatorische(r) Leiter(in)‹ oftmals für den Bereich der gesamten nicht-künstlerischen Koordination verantwortlich zeichnet. Die Fallstudie (Kap. 5) sowie das Adressenverzeichnis des BDLO belegen, daß der Ansprechpartner eines Orchesters oft nicht der Dirigent ist. Die Aufgabenverteilung bewegt sich zwischen zwei Extremen: Entweder hat der künstlerische Leiter ausschließlich die Probenarbeit zu leisten, und der organisatorische Leiter ist für alle verwaltungstechnischen, organisatorischen und sozialen Belange verantwortlich. Oder der künstlerische Leiter ist für alle Bereiche verantwortlich, gegebenenfalls in Absprache mit dem Konzertmeister und unter Kenntnisnahme der Teilnehmeräußerungen. Ist ein Orchester als eingetragener Verein organisiert, regelt eine Satzung die inneren Angelegenheiten. Andernfalls muß das Ensemble zu verbindlichen Vereinbarungen für alle Mitglieder finden. Je differenzierter Entscheidungsabläufe im vorhinein geregelt sind, um so reibungsloser gestaltet sich die Durchführung (vgl. Kap. 5.3.4). Angesichts der Möglichkeiten des technologischen Zugangs zu computergestützten, professionellen Daten-, Textverarbeitungs- und Informationssystemen hat sich die öffentliche Erwartungshaltung an ›public relations (PR)‹, also an jede Form der Öffentlichkeitsarbeit sowie gruppeninterner Organisationsvorgänge, entsprechend professionalisiert. Hand- und schreibmaschinenschriftliche Programme und Plakate werden als nicht mehr zeitgemäß und ›dilettantisch‹ angesehen, was schnell als Vorurteil auf den transportierten Inhalt übertragen wird. Einem entsprechenden Wandel unterliegt auch die öffentliche (Konzert-) Präsentation selbst. Tritt ein Laienorchester z.B. in der Hamburger Musikhalle auf, kann es sich dem Maßstab kommerziellen Konzertmanagementes nicht mehr entziehen. Die ›Positionierung‹ des eigenen Beitrags zur Stadtkultur gerät in den Sog professioneller PR-Strukturen, die in einem dichten Netz um die günstigsten, d.h. publikumswirksamsten ›product placements‹ ringen.32

32 Vgl. AVENARIUS, S. 362.
Orchesterorganisation

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