- 22 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
  Erste Seite (0) Vorherige Seite (21)Nächste Seite (23) Letzte Seite (126)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

eine andere Struktur, die Oberflächenstruktur, überführt werden. Erfährt die in ihr enthaltene Infor-mation über die Konstituenten des Satzes noch eine phonetische (= lautliche) Interpretation, ist das Ergebnis die aktuelle und unmittelbar beobachtbare Gestalt des Satzes (s. Abbildung 9).

Es existieren zwar bereits neuere generative Modelle, doch der wesentliche Punkt, auf den es mir hier ankommt - die Ableitung einer Oberflächen- aus einer Tiefenstruktur -, wird auch in diesem älteren und meiner Ansicht nach übersichtlicheren Modell deutlich.

Interessant ist diese Auffassung zweifellos deshalb, weil zwei formal unterschiedlichen Äußerungen durchaus dieselbe inhaltliche Information zugrundeliegen kann:
  1. 1. Das Publikum feierte den Pianisten.
  2. 2. Der Pianist wurde vom Publikum gefeiert.
In beiden Fällen handelt es sich um den gleichen Akteur (Publikum), und Handlung (feiern) sowie Ziel der Handlung (Pianist) sind ebenfalls konform. Durch das Transformationskonzept Chomskys kann nun also erklärt werden, wie ein kompetenter Sprecher aus einer bestimmten Tiefenstruktur verschiedene Oberflächenstrukturen hervorbringen (= generieren) kann. Wird das Konzept vom Hörer in umgekehrter Richtung angewendet, ist er in der Lage, zwei verschiedene Äußerungen als Paraphrasen voneinander zu erkennen (s.o.) bzw. zwei gleichlautenden Äußerungen zwei unterschiedliche Inhaltsstrukturen zuordnen zu können (z.B.: Ich schicke dem Geiger aus Paris eine Nachricht. --> 1. Es gibt einen Pariser Geiger, dem ich eine Nachricht schicke. 2. Ich schicke dem Geiger von Paris aus eine Nachricht.)
Zwar ist inzwischen mehrfach belegt worden, daß Chomskys Annahme der Übertragbarkeit linguistischer Methoden der Satzgenerierung und Satzanalyse auf die mentalen Prozesse der Produktion und Analyse von Sprache nur z.T. aufrechterhalten werden kann (vgl. Hörmann 1976, Kap. III; s. auch Kap. 3), wichtig ist aber - als Fazit dieses Teilkapitels -, daß mit der gTG ein erster Schritt in Richtung auf eine Beschreibung kognitiver Prozesse der Sprachverarbeitung getan wurde. Einige der eben vorgestellten Grundgedanken besitzen durchaus auch Erklärungswert für die Musik, wie sich in den nachfolgenden Kapiteln zeigen wird.

Erste Seite (0) Vorherige Seite (21)Nächste Seite (23) Letzte Seite (126)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 22 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen