- 38 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
  Erste Seite (0) Vorherige Seite (37)Nächste Seite (39) Letzte Seite (126)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

zwischen Zeichen und Wirklichkeit in der Sprache allerdings in erster Linie auf Konvention, im Falle der Musik dagegen vorwiegend auf Assoziativität und unmittelbar nachvollziehbarer Tonmalerei beruht.
Wenn man einmal davon absieht, daß die musikalische Syntax i.a. nicht semantisch fundiert ist, kann sie in vieler Hinsicht strukturell analog zur sprachlichen Syntax beschrieben werden. Sie funktioniert nämlich in beiden Fällen nicht (nur) auf der Basis traditionell semantischer Prinzipien, d.h. auf Grundlage von Zeichen mit Verweischarakter, sondern sie baut (auch) mit davon (z.T.) unabhängigen Regeln ein lineares und hierarchisch gegliedertes Beziehungsgefüge auf. Die so entstandenen Relati-onen zwischen den einzelnen Elementen verkörpern dabei einen allein ihnen immanenten funktionalen Bedeutungsaspekt. In diesen Kontext gehört auch das Faktum, daß gerade absichtsvoll eingeführte Abweichungen von syntaktischen Normen/Tiefenstrukturen die ästhetische Qualität musikalischer und (manchmal) sprachlicher Gebilde ausmachen.
Eine weitere wesentliche Übereinstimmung zwischen Musik und Sprache besteht in den über die internen Bedingungen der Textstruktur hinausweisenden Sinnzusammenhängen des Verwendungskontextes. Dazu zählen Variablen wie pragmatischer Gebrauch, historische und soziokulturelle Determinanten sowie situative Konstellationen.

Faßt man das Gesagte zusammen, so ist es angebracht, auch im Falle der Musik von Bedeutung zu sprechen, obwohl sie eher selten auf der Verwendung von symbolischen Zeichen basiert.

Dahlhaus (1979) möchte die Musik aus dem zuletzt genannten Grund auf die Syntax einerseits und die Pragmatik andererseits beschränkt wissen. Ich teile seine Ansicht aus dem folgenden Grund aber nicht.

Zwar kommt den verschiedenen Aspekten der Bedeutungskonstitution in Sprache und Musik unterschiedliches Gewicht zu, doch handelt es sich in beiden Fällen im-mer um einen

"mehrdimensionale(n), vielschichtige(n) Semioseprozeß aus semantisch infizierten, syntaktisch definierten und pragmatisch vermittelten Strukturelementen." (Gruhn 1989, S. 78),

der den Hintergrund für die konkrete Wirkung ausmacht.
Ich möchte mich daher Gruhn anschließen, der der Musik mehrere Ebenen von Bedeutung zuspricht. Er faßt diese im folgenden Diagramm zusammen:


Erste Seite (0) Vorherige Seite (37)Nächste Seite (39) Letzte Seite (126)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 38 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen