- 81 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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Diese Überschneidungen zwischen sprachlichem und musikalischem Wissen sind aber möglicherweise nur ein kleiner Ausschnitt der denkbaren Gemeinsamkeiten, zumal die Bruhnsche Untersuchung auf westlich-europäische tonale Musik begrenzt war. Eine Ausweitung des vorgestellten Ansatzes auf interkulturelle und entwicklungspsychologische Aspekte wäre daher wünschenswert (vgl. Bruhn 1988, S. 212).

Weitere Forschungsperspektiven auf linguistischer Grundlage betreffen musikalisches Form- und Stilwissen. Drei herausragende Modelle zu diesem Thema sollen im folgenden vorgestellt und bewertet werden.

4.3 Zwei produktive generative Grammatiken

Im Gegensatz zu natürlichen Sprachen, in denen es jeweils eine gültige Syntax gibt, existiert nicht eine Syntax tonaler Musik,

"[...] vielmehr wird man gezwungen sein, für jede einigermaßen objektiv abgrenzbare musikalische Form und für die verschiedensten Kompositionsstile eigene Syntaxen zu entwickeln, [...]" (Stoffer 1979, S. 26),

die es dann auf ihre kognitive Adäquatheit hin zu überprüfen gilt.

Zwar bestehen Vermutungen, daß es syntaktische Regeltypen gibt, die den meisten musikalischen Stiltypen gemeinsam sind (vgl. auch Kap. 4.4), doch wird ebenfalls angenommen, daß die konkreten Inhalte dieser Regeln unterschiedlich sind (s. Stoffer 1979, S. 26; Sundberg/Lindblom 1991, S. 260). Bislang hat man sich in erster Linie mit tonaler Musik und hier insbesondere mit dem Formtyp des Volks- und Kinderliedes beschäftigt (einen Überblick geben Sundberg/Lindblom 1991).
In vielen Fällen sind solche Syntaxen in Anlehnung an Chomskys gTG entwickelt worden, wobei die so entstandenen musikalischen generativen Theorien in zwei Gruppen eingeteilt werden können:

  1. Theorien, die aus einer musikalischen Tiefen- eine Oberflächenstruktur generieren ("produktiver Ansatz");
  2. Theorien, die die Interpretation(en) einer musikalischen Oberflächenstruktur generieren, indem eine zugrundeliegende Tiefenstruktur angenommen wird ("analytischer Ansatz").

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