- 31 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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4.  Eine Metaerzählung: Geschichtlichkeit

4.1.  Die Institutionalisierung der Musikwissenschaft im Umfeld des Historismus

Das historische Denken, das historische Bewusstsein oder der ausgebildete historische Sinn sind eine historisch bedingte neuzeitliche Errungenschaft. Die Kategorie der Geschichtlichkeit tritt nahezu gleichzeitig mit dem Historismus auf.1

1
Vgl. Bauer, G., Geschichtlichkeit. Wege und Irrwege eines Begriffs, Berlin: de Gruyter, 1963, S. 4.
Die Geschichtlichkeit wird in der vorliegenden Arbeit insofern mit dem Historismus gleichgesetzt, als dieser im Sinne des wissenschaftlich-historischen Denkens gebraucht wird.2
2
Verschiedene Definitionen des Historismus werden im folgenden Abschnitt 4.2 vorgestellt.
Die in diesem Kapitel skizzierte Geschichte des Historismus dient der Darlegung der Verwissenschaftlichung des historischen Denkens. Die Entstehung der Geschichte als Fachwissenschaft steht im Entwicklungsprozess der Kategorie der Geschichtlichkeit. Diese fungiert in ihrer wissenschaftlichen Form als Grundlage zur Erörterung von Gegenwartsfragen und zur Bestimmung von Zukunftsperspektiven.3
3
Vgl. Jaeger, F. / Rüsen, J., Geschichte des Historismus, München: Beck, 1992, S. 4.

Die Institutionalisierung der Musikwissenschaft – bzw. der Historischen Musikwissenschaft – geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, in dem die Geschichtswissenschaften / Geisteswissenschaften im deutschen Sprachraum etabliert wurden. Die Begründung der Geschichtswissenschaften / Geisteswissenschaften als Fachwissenschaften basiert auf dem damaligen kulturellen Umfeld, bzw. der Strömung des Historismus, die von der Kritik der Romantik an der Aufklärungs-Moderne ausgehend entwickelt wurde. Die Musikwissenschaft wurde am Ende des 19. Jahrhunderts als ein Endprodukt des genannten Umfelds der bürgerlichen Moderne in einer Form von Geschichtswissenschaft bzw. Geisteswissenschaft institutionalisiert. Das moderne Wissenschaftskonzept der Musikwissenschaft als eine bürgerliche Geisteswissenschaft findet man heute immer noch in der Historischen Musikwissenschaft. Im Memorandum (1999) der »Gesellschaft für Musikforschung« z. B. ist es wie folgt formuliert:

(Im übrigen) hat das Fach (Musikwissenschaft) eine im hohen Maße gesellschaftsrelevante Funktion zu erfüllen. Die Geisteswissenschaften und somit auch die Musikwissenschaft sind nach der allgemeinsten und umfassendsten Definition »der Ort, an dem sich moderne Gesellschaften ein Wissen von sich selbst in Wissenschaftsform verschaffen« (Mittelstraß). Sie fungieren als Garant des »kollektiven Gedächtnisses«, indem sie das, was die Vergangenheit der Gesellschaft ausmacht und damit ihre Identität wesentlich prägt, bewahren und in der wissenschaftlichen Aufarbeitung vergegenwärtigen.4

4
Die Musikforschung, 52. Jg., H. 1, 1999, S. 1.


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