4.9. Die methodologische Begründung der historischen Wissenschaften – die NeukantianerEbenso wie Dilthey bemühen sich die Neukantianer von dem Zusammenbruch der großen metaphysischen Systeme ausgehend um eine neue Grundlage des historischen Denkens. Anders als Diltheys lebensphilosophische Prämissen gehen Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert streng erkenntnistheoretisch vom Formalen, d. h. von einer logischen Analyse und Begründung der wissenschaftlichen Methode aus. Sie präsentieren eine rein methodologische, auf sichere logische Begriffe zu gründende Einteilung der Erfahrungswissenschaften.45
Wilhelm Windelband geht in seiner Rektoratsrede von 1894 auf das Abgrenzungsproblem zwischen Natur- und Geschichtswissenschaft ein. Er greift zunächst die Dilthey’sche Unterscheidung von Natur- und Geisteswissenschaft auf und kritisiert dabei die materialen Vorbegriffe von Natur und Geist, welche sich als metaphysisches Traditionsgut identifizieren lassen. Sie werden daher nicht mehr unbesehen zur Grundlage einer Wissenschaftsklassifikation herangezogen.46
Methodologisch vorgehend legt Windelband einen neuen Gegensatz von nomothetischen und idiographischen Wissenschaften dar. Sein Kriterium dieser Unterscheidung bildet nicht der jeweilige Gegenstand, sondern der formallogische Charakter der jeweiligen Erkenntnisziele. Daher geht es hierbei nicht um die ontologische Abgrenzung der wissenschaftlichen Bereiche, sondern um eine Typologie wissenschaftlicher Verfahrensweisen. Aus dem Text Windelbands »Geschichte und Naturwissenschaften (Straßburger Rektoratsrede 1894)« ergibt sich das folgende, viel zitierte Schema:47
Rickert greift den Dualismus nomothetischer und idiographischer Wissenschaften Windelbands in Form des typologischen Gegensatzes der generalisierenden und |