- 40 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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menschlichen Welt geht von diesem gegebenen Erlebnis, so Dilthey, einer Tatsache des Bewußtseins39
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Vgl. Dilthey, W., Die Tatsachen des Bewußtseins (Breslauer Ausarbeitung um 1880), in: ders., Texte zur Kritik der historischen Vernunft (hrsg. von H.-U. Lessing), Göttingen: Vadenhoeck, 1983, S. 93–150.
aus. Die Wahrheit dieser Erkenntnis besteht nicht in ihrer Korrespondenz mit einer äußeren Realität wie bei der Erkenntnis der physikalischen Welt, die sich auf äußere Erlebnisgegenstände bezieht. Die Wirklichkeit des Wirklichen konstituiert sich in Tatsachen des Bewusstseins. Die Tatsachen des Bewusstseins sind als Wirklichkeit da. Diltheys Begründung der Geisteswisssenschaften auf das einzige in letzter Instanz sichere Wissen basiert auf dem Erlebnis, in dem die Einheit von Innenwelt und Außenwelt, von Subjektivität und Objektivität existiert.

Diltheys philosophischen Fundamentalbegriff stellt nicht mehr die Idee, sondern das Leben in der menschlichen geschichtlichen Wirklichkeit dar. Dilthey zufolge ist in den Erlebnissen der geschichtlichen und geistigen Welt die Einheit des Lebensverlaufs erlebt, der in jedem Teil der Geschichte und in jedem geisteswissenschaftlichen Begriff enthalten ist.40

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Vgl. Dilthey, W., Gesammelte Schriften 7, Stuttgart: B. G. Teubner, 1958, S. 71–72.
Ein Erlebnis ist ein Moment im Zusammenhang des Lebens. Die Totalität des Lebens als Tatbestandes der Menschheit41
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Vgl. ebd., S. 131.
ist nur in den Erlebnissen zugänglich. Allein in ihnen erfährt das Leben seinen Ausdruck, die Lebensäußerung. Die Erkenntnis der im Erlebnis gegebenen bzw. der geschichtlichen Menschenwelt nennt Dilthey »Verstehen«. Der geisteswissenschaftliche Gegenstand, der von dem Erlebnis ausgeht, wird über den Erlebnisausdruck in einem Kontextzusammenhang verstanden. Dilthey begründet somit die Geisteswissenschaften im Zusammenhang von Erleben, Ausdruck und Verstehen: Die Geisteswissenschaften sind alle fundiert im Erleben, in den Ausdrücken für Erlebnisse und in dem Verstehen dieser Ausdrücke.42
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Ebd., S. 71.
Das Leben, das nach Dilthey ein[en] das menschliche Geschlecht umfassende[n] Zusammenhang bildet, ist der Inbegriff dessen, was uns im Erleben und Verstehen aufgeht.43
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Ebd., S. 131.
Dieses selbstreflektierte, sich selbst verstehende Leben nennt Dilthey »Geist«. Deshalb werden die Wissenschaften, die sich im Zusammenhang von Erleben, Ausdruck und Verstehen konstituieren, Geisteswissenschaften genannt.

Das Wort »Geisteswissenschaften«, welches aus dem Bedürfnis entsprang einen gemeinsamen Namen für eine bestimmte Gruppe von Wissenschaften zu finden, erhält nun in der Erkenntnistheorie Diltheys den von den Naturwissenschaften abgrenzenden Sinn.

Die Menschheit wäre, aufgefaßt in Wahrnehmung und Erkennen, für uns eine physische Tatsache, und sie wäre als solche nur dem naturwissenschaftlichen Erkennen zugänglich. Als Gegenstand der Geisteswissenschaften entsteht sie aber nur, sofern menschliche Zustände erlebt werden, sofern sie in Lebensäußerungen zum Ausdruck gelangen und sofern diese Ausdrücke verstanden werden.44

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Ebd., S. 86.


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