- 45 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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5.  Historische Musikwissenschaft – ihre Gegenstände und Methoden

5.1.  Das Verhältnis der Musikgeschichtsschreibung zur Ästhetik

Die Gegenstände und die Methoden der Historischen Musikwissenschaft, die in Kapitel 3 und 4 durch die Betrachtungen zur ästhetischen Moderne und zur Strömung des Historismus implizit behandelt wurden, stützen sich auf das ästhetische und das historische Bewusstsein in der Moderne. Das historische und das ästhetische Bewusstsein, deren Wurzeln in die europäische aufklärerische Rationalisierung des 18. Jahrhunderts zurückgehen, stehen durch die Strömung der ästhetischen Moderne und des Historismus im 19. Jahrhundert in einem engen Verhältnis. Das Korrelat von Historismus und Ästhetik zeigt sich deutlich in der historischen Musikforschung, die sich im genannten Umfeld des 19. Jahrhunderts ausbildet. Die Idee der Autonomieästhetik, die der als Tonkunst bezeichneten Instrumentalmusik des 19. Jahrhunderts verstärkt zukommt, betrifft von nun an auch ältere Musik, die in Verbindung mit der geschichtlichen Musikforschung autonomisiert wird. Das romantische Bewusstsein, das sich durch die Suche nach der Identität des modernen Menschen auszeichnet, versucht durch die Historisierung der Musikforschung einen Entwicklungsprozess der Musik zur Autonomisierung zu bestätigen. Die von der modernen autonomen Tonkunst ausgehend entwickelte historische Musikforschung weist also zugleich die Ästhetisierung des Historischen und die Historisierung des Ästhetischen auf.1

1
Dahlhaus, C., Grundlagen der Musikgeschichte, Köln: Hans Gerig, 1977, S. 116.
Carl Dahlhaus sieht das Verhältnis zwischen der historischen Forschung und der Ästhetik der Musik darin, dass beide als Zugangsweisen zu Kunstwerken uns zwar als objektivierend distanzierende Zugangsweisen – nach dem Zerfall der Gebrauchsfunktion ideengeschichtlich zusammengehören.2
2
Ebd.
Das Verhältnis der Musikgeschichtsschreibung und der Autonomieästhetik kann somit als eine ideengeschichtliche Herausforderung erklärt werden.

Walter Wiora zufolge entwickelten sich historische Aspekte der Musik im Zusammenhang mit der modernen ästhetischen Auffassung der Musik, d. h. der Auffassung der Musik als schöne Kunst3

3
Wiora, W., Grenzen und Stadien des Historismus in der Musik, in: Wiora, W. (Hrsg.), Die Ausbreitung des Historismus über die Musik, Regensburg: Gustav Bosse, 1969, S. 310.
. In der Antike und im Mittealter war der Begriff »Musik« nicht auf denjenigen der Tonkunst beschränkt und beinhaltete die die Natur »vollendende« Techne oder die mathematische Struktur4
4
Dahlhaus, C., »Reine« oder »adäquate« Stimmung?, in: Eggebrecht, H. H. (Hrsg.), Archiv für Musikwissenschaft, 39. Jg., 1982, S. 15.
. Deshalb gilt das Interesse der Musikforschung in der Antike und im Mittealter nicht der Geschichte, sondern der Theorie. In der Renaissance ist im Gegensatz dazu der Begriff

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