- 46 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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der Kreativität und des Genies durch die ästhetischen Gedanken eingeführt. In der Neuzeit bezieht sich der Begriff »Komposition« auf die auf menschlicher Setzung beruhende Kunst, [. . . ]: »Kunst« ist, im Gegensatz zu »Techne«, nicht Ausprägung des von Natur Vorgezeichneten, sondern eine in sich selbst begründete menschliche Tätigkeit.5
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Ebd., S. 16.
Die Musik als Kunst wird seit der neuzeitlichen Moderne nicht mehr als die mathematische Struktur, sondern als das tönende Phänomen aufgefasst: Die Ars musica entfernte sich aus dem mathematischen Quadrivium und die Tonkunst wurde mehr und mehr als eine der schönen Künste angesehen.6
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Wiora, W., a. a. O.

Es ist dabei festzustellen, dass ein Zusammenhang zwischen dem oben erwähnten Gegensatz der Musikauffassung »Techne« – »Kunst« und der von den Neukantianern dargelegten Antithetik »Natur« – »Kultur« besteht. Die moderne ästhetische Auffassung der Musik als auf menschlicher Setzung beruhende Kunst begründet somit die geschichtliche Forschung der Musik, deren Gegenstand die der »Kultur« im Sinne der Neukantianer zugeordnete Musik bildet.

Die auf Grundlage der romantischen Kunstauffassung und -ästhetik begründete, geschichtliche Musikforschung konzentriert sich vornehmlich auf die Werkbetrachtung. Der Begriff des Musikwerks, der nach den Kriterien der Kunstwerkästhetik des 18. und 19. Jahrhunderts im emphatischen Sinne gebraucht wird, wird auf Werke früherer Epochen übertragen.7

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Vgl. Redmann, B., Entwurf einer Theorie und Methodologie der Musikanalyse, Laaber: Laaber, 2002, S. 56–57.
Das Prinzip der gesamten Musikhistorie bildet somit nach Dahlhaus eine ästhetische Prämisse des 18. und 19. Jahrhunderts – die Überzeugung, daß ein Werk originell sein müsse, um authentisch zu sein [. . . ].8
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Dahlhaus, C., Grundlagen der Musikgeschichte, Köln: Hans Gerig, 1977, S. 24.
An dieser ästhetischen Überzeugung orientiert richtet sich die Musikhistorie auf die Entwicklung der Musik als Ursprungsgeschichte des autonomen, individuellen, in sich selbst begründeten und um seiner willen existierenden Kunstwerks.9
9
Ebd., S. 23–24.
Ein Ausgangspunkt ist dabei die geschichtsphilosophische Annahme, dass sich die Musikwerke im Laufe der Geschichte entfalten, indem sie die ungelösten Probleme früherer Epoche aufgreifen. Dem Hauptinteresse der Musikgeschichtsschreibung gilt demnach eine Kompositions- oder musikalische Technikgeschichte. Sie ist nach Dahlhaus die Geschichte der »musikalischen Logik« – der thematisch-motivischen Arbeit, der entwickelnden Variation und der Konstruktion von zugleich differenzierten und weitgespannten harmonisch-tonalen Zusammenhängen.10
10
Ebd., S. 24.
Diese Musikhistorie beschreibt die Ausbildung von Mitteln, mit denen Musik ihre Autonomie – und das heißt: den Anspruch um ihrer selbst willen gehört zu werden – rechtfertigt.11
11
Ebd.
Die Musikgeschichtsschreibung richtet sich dabei auf die Werkindividualität, die auf der romantischen Vergangenheits- und Genieästhetik beruht, in welcher die Individualität bzw. der hinter dem Werk stehend[e] Komponist12
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Ebd., S. 39.
akzentuiert wird. Dahlhaus formuliert dies wie folgt:


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