- 61 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (60)Nächste Seite (62) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Es gibt keinen Grund anzunehmen, man könne Metapräskriptionen bestimmen, die all diesen Sprachspielen gemein wären, und daß ein revidierbarer Konsens, wie der, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Gemeinde der Wissenschaftler herrscht, die Menge der Metapräskriptionen umfassen könnte, die die Menge der in einer Gemeinschaft zirkulierenden Aussagen regelt. Vielmehr ist der heutige Verfall der Legitimationserzählung, gleich ob traditionell oder »modern« (Emanzipation der Menschheit oder das Werden der Idee), gerade mit der Aufgabe dieser Überzeugung verbunden. Ebenso ist es der Verlust dieser Überzeugung, den die Ideologie des »Systems« zugleich durch ihre totalisierende Prätention ersetzt und durch den Zynismus ihres Performativitätskriteriums zum Ausdruck bringt.21
21
Ebd., S. 188.

Lyotards Ansicht nach gilt der Konsens als Mittel für das wahrhafte Ziel, das das System legitimiert: die Macht. Lyotard setzt eher eine Macht voraus, die die Ordnung der Vernunft stört und die Erklärungsfähigkeiten destabilisiert und sich in der Verordnung neuer Normen des Begreifens manifestiert. Daher fragt sich Lyotard, ob eine Legitimierung allein durch die Paralogie möglich wäre.22

22
Ebd., S. 176.
Paralogie unterscheidet sich von der Innovation. Während Innovation vom System bestimmt oder benutzt wird, um seine Effizienz zu verbessern, gehört Paralogie zur Hervorbringung des Wissens selbst.23
23
Vgl. ebd., S. 176.
Von der wissenschaftlichen Pragmatik ausgehend legt Lyotard seine Betonung auf den Dissens. Ihm zufolge basiert die Suche nach einem universellen Konsens auf zwei Voraussetzungen: 1. Alle Sprecher über Regeln oder über die für alle Sprachspiele universell gültigen Metapräskriptionen [können] einig werden [. . . ], obwohl diese selbstverständlich heteromorph sind und heterogenen pragmatischen Regeln zugehören. 2. Die Finalität des Dialogs [ist] der Konsens [. . . ].24
24
Ebd., S. 189.

Für Lyotard ist der Konsens jedoch nur ein Zustand der Diskussionen, nicht ihr Ziel. Das Ziel der Diskussion ist vielmehr die Paralogie. Die Erfindung entsteht in der Meinungsverschiedenheit. Lyotard zufolge impliziert das Erkennen der Heteromorphie der Sprachspiele den Verzicht auf den Terror. Lyotards Rede von der Krise der »großen Erzählungen«, die die Aporie der Moderne impliziert, richtet sich nicht darauf, einen Ausweg zu finden. Lyotard plädiert dafür, diese Krise nun nicht wieder mit neuen allumfassenden Totalitäten zu bewältigen, sondern sie so zu belassen, sogar zu befürworten, denn sie ist die Chance für eine neue, offene und tatsächlich pluralistische Gesellschaft.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (60)Nächste Seite (62) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 61 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne