7. Postmoderne Musik als Stilbegriff?
7.1. Die Delegitimation in der Musik
Die Postmoderne im Sinne der Delegitimation und Infragestellung der Grundprinzipien
der Moderne entfaltet sich auch in den Musikphänomenen im 20. Jahrhundert. In der
Kunst findet man schon am Anfang des 20. Jahrhunderts die radikale Infragestellung
der modernen Kategorie der Autonomieästhetik und des geschlossenen Werkes. Dies
zeigt sich vor allem im dadaistischen und surrealistischen Programm, das die Grenze
zwischen Kunst und Leben, Fiktion und Praxis, Schein und Wirklichkeit einzuebnen
versucht. In der Musik wird jedoch solch ein Delegitimationsprozess der Moderne bis zu
den 1950ern verschoben, wo sich eine Schlüsselfigur, John Cage, mit einer offenen Form,
dem Aufbrechen herkömmlicher Rezeptionsformen und der Überführung von Leben in
Kunst vom traditionellen Kunstbegriff verabschiedet.
Der Musik Cages liegt die Idee der Absichtslosigkeit zugrunde: Die Musik sollte
ihm zufolge von dem individuellen Geschmack, Gedächtnis und Tradition frei
sein.1
Vgl. Cage, J., Silence, Lectures and Writings, Middletown / Conn: Wesleyan Univertiy Press,
1961, S. 59.
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Er
führt die Kategorien Geräusch und Zufall ein und gestaltet sie mit Zufallsoperationen.
Zufallsoperationen sind ein an das chinesische Orakelbuch »I Ging« angelegter
kompositorischer Vorgang. Cage schreibt alle Möglichkeiten der Musikelemente in eine
Tabelle und bestimmt dann per Münze die Koordinaten, die eine der Möglichkeiten aus
der Tabelle erbringen würden. Durch graphische, bedeutungsoffene Notationssysteme,
mit denen die musikalischen Parameter nicht als absolute Größen, sondern als relative
Verhältnisse zueinander bestimmt werden, erreicht Cage »indeterminacy« des
Verhältnisses zwischen Komposition und Realisation. Dadurch gestaltet er die
traditionell festgelegten Funktionsbeziehungen zwischen Komponisten, Interpreten und
Rezipienten variabel.
Am Black Mountain College in North Carolina (U.S.A.) führt Cage am
Anfang der 1950er mit Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, David
Tudor und anderen die aus Dadaismus hervorgehenden Happenings und
Fluxuskünste2
»Fluxus« (lateinisch: das Fließen, fließend) nannte sich eine internationale Künstlergruppe,
die ab 1962 in »FLUXFESTS« überwiegend einfache, undramatische, weil nicht erzählende
Handlungsabläufe aufführte. (Dreher, T., ›Apres John Cage‹: Zeit in der Kunst der sechziger
Jahre – von Fluxus-Events zu interaktiven Multi-Monitor-Installationen, in: Bischoff, U.
(Hrsg.), John Cage: Kunst als Grenzbeschreitung; John Cage und die Moderne, Düsseldorf:
Richter, 1992, S. 57).
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aus. Hier werden der Begriff von Kunst und das Verhältnis Künstler-Werk-Publikum-Umgebung
radikal neu formuliert. Dabei manifestiert sich Kreativität nicht in einem dauerhaften
Werk, sondern bringt Aktion hervor. Somit wird der Künstler Teil seines
Werkes.3
Vgl. Harris, M. E., John Cage im Black Mountain College, in: Bischoff, U. (Hrsg.), ebd.,
S. 45–48.
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