- 64 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (63)Nächste Seite (65) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Cage eröffnet mithin eine neue Musikkonzeption. Musik wird eine ästhetische Erfahrung des Unvorhersehbaren, dessen Ursprung anderswo als in der Intention eines Künstlersubjekts zu suchen ist. Musik ist also kein Ort, an dem ein intentionales Subjekt sich ausdrückt, sondern nur ein Anlass, Aufmerksamkeit auf die Klänge zu richten. Diese Entsubjektivierung führt zum Niedergang der an der modernen Geschichtsphilosophie orientierten Fortschrittsidee der musikalischen Struktur und zur Auflösung der Kategorie des geschlossenen Kunstwerks in einen offenen »ästhetischen Prozess«. Von nun an gilt eine allgemein verbindliche Ästhetik der Musik nicht mehr.

Das nach dem Zerfall des traditionellen geschlossenen Werkbegriffs entstandene, neue Konzept der Musik hat auf der anderen Seite einen Zusammenhang mit den neuen Techniken der Massenproduktion und der Massenrezeption, durch welche die Aura der klassischen bürgerlichen Musik abgestreift wurde. Die Einebnung der Differenz von Kunst und Leben, die durch die Technik der Vervielfältigung z. B. mit der Erfindung der Phonographen, des Grammophons und des Schallplattenspielers erst herbeigeführt wurde, wird mit Unterstützung der weiter entwickelten Technik wie der Elektronik und der Digitaltechnik beschleunigt.

Die technische Entwicklung der elektromagnetischen Schallaufzeichnung mittels Tonbandgeräten am Anfang des 20. Jahrhunderts führt mit der Suche nach neuen musikalischen Materialien im Bereich der E-Musik zur innovativen Entwicklung der Elektronischen Musik in den 1950er Jahren: 1. Der französische Toningenieur und Komponist Pierre Schaeffer begründet die Musique concrète, die von »konkreten« Klangobjekten ausgehend mit elektronischen Mitteln hergestellt wird. Von der ästhetischen Auffassung der Musik als schön erklingende Tonphänomene abweichend sucht Schaeffer das Material der Musique concrète in seinem ursprünglichen Zustand, so wie die Natur ihn bietet, die Maschinen ihn speichern und mit ihren Manipulationen umformen4

4
Schaeffer, P., Musique concrète. Von den Pariser Anfängen um 1948 bis zur elektroakustischen Musik heute. Stuttgart: Ernst Klett, 1974, S. 13.
. Alltägliche Geräusche, Laute oder akustische Klänge werden mittels Mikrofon auf Magnettonband aufgenommen und durch Montage, Filterung, Mischung oder Transposition etc. bearbeitet.5
5
Ebd., S. 42–50.
2. Das vom Westdeutschen Rundfunk in Köln eingerichtete Zentrum für Elektronische Musik beschäftigt sich mit der Elektronischen Musik, deren Materialien auf rein elektronischem Wege hergestellt werden: Sinustöne werden von einem Generator erzeugt, dann überlagert, oder mit gefiltertem Rauschen und impulsartigen Lauten gemischt und auf Tonband aufgenommen. Aufgenommenes Material lässt sich kopieren, dabei beispielsweise durch Änderung der Bandgeschwindigkeit verzerren oder schneiden und mit anderem montieren. Die im Studio produzierte Elektronische Musik wird in der Aufführung über Lautsprecher wiedergegeben.

Diese Entwicklung Elektronischer Musik, die im Bereich der E-Musik mit der Erfindung des neuen Materials eingeführt wird, führt zum Wendepunkt der Musikgeschichte. Die Produktion sowie die Rezeption Elektronischer Musik erfolgen ohne die Vermittlung des schriftlichen Notationssystems. Elektronische Musik hat die Aufgabe, ein kompositorisches Vorhaben ohne Zuhilfenahme der gewohnten


Erste Seite (i) Vorherige Seite (63)Nächste Seite (65) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 64 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne