- 68 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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eingeführt. Mit Sampling wird es möglich, aufgenommene Klänge in ein diskretes digitales Signal umzuwandeln, dann in Echtzeit zu transponieren, mit Filtern zu manipulieren und damit in alle denkbaren Klangkombinationen zu integrieren. Gruppen wie ›Tangerine Dream‹ und ›Kraftwerk‹, die bereits mit Synthesizern den Umfang des die Mischung von Jazz und Rock bezeichnenden Begriffs »Fusion« in die populäre elektronische Musik erweiterten und dadurch eine eigenartige rhythmische Eigenschaft herstellten, prägen mit ihrer von Schlagzeug-Computern gekennzeichneten, maschinell klingenden, elektronischen Tanzmusik »den Techno«.23
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Vgl. Anz, P. / Meyer, A., Die Geschichte von Techno, in: Anz, P. / Walder, P. (Hrsg.), techno, Zürich: Ricco Bilger, 1995, S. 8–21.

Ende des 20. Jahrhunderts ermöglichen die Digitalisierung und die rasende Entwicklung der High-Technologie eine ganz neue Form der Musik. Die Möglichkeit einer computergestüzten Steuerung und Synthese der Klänge in Realtime bietet eine neue Aufführungspraxis der Musik, die auf der Basis der Mensch-Maschine-Interaktion eine musikalische Realisation im Sinne der Komposition und der Rezeption erst während der Aufführung prozessual hervorbringt. Die Idee der Prozessualität der Musik, die Mitte des 20. Jahrhunderts von John Cage und Steve Reich geprägt wurde und damit einen Delegitimationsprozess der Musik veranlasste, wird durch die dank der technologischen Entwicklung hervorgebrachte, neue Form Interaktiver Musik in einem Komposition, Interpretation und Rezeption integrierenden Akt der Performance verwirklicht.24

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Vgl. Rowe, R., Interactive Music Systems, Cambridge u. a.: The MIT Press, 1993; Winkler, T., Composing Interactive Music, Cambridge u. a.: The MIT Press, 1998.
Zudem ermöglicht die Entwicklung der Netzwerktechnik eine neue Zugangsweise zur Musik. Tod Machover, der im Jahr 1986 am Media Lab des Massachussets Institute of Technology (MIT) die auf interaktiven Musiksystemen basierenden digitalen Musikinstrumente »hyperinstruments«25 entwickelt hat, experimentiert mit einer weiteren Form Interaktiver Musik, die mittels des Internets in einer globalen Netzumgebung realisiert wird: Es handelt sich dabei um das »Brain Opera«-Projekt (1996).26 Durch die so genannte Netzmusik werden die Integration der Produktion und der Rezeption der Musik und die Kreativität aller sich in den global vernetzen Musikumgebungen befindenden Partizipierenden ermöglicht.

Infolgedessen wird der auf dem Zerfall der Autonomieästhetik und der Geschichtlichkeit der Musik beruhende musikalische Delegitimationsprozess durch die technische Entwicklung beschleunigt. Daraus folgt eine schwunghafte Entwicklung des Popmusikbereichs sowie einiger die Grenze zwischen E- und U-Musik einebnender neuer Musikformen. Die musikalische Postmoderne zeichnet sich somit durch die Aufhebung der Trennung von E- und U-Musik und durch die Vielfalt heterogener Musikphänomene aus. Dagegen wird in musikwissenschaftlichen Arbeiten immer noch die auf dem Trennungstheorem von E- und U-Musik beruhende Debatte um die Postmoderne durchgeführt.


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