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Die im artifiziellen Bereich in der
modernen Musik praktizierte Spezialisierung einer immer ausgeklügelteren
Tonsprache nach vorrangig rationalen Geschichtspunkten wird aufgegeben
zugunsten einer meist nur Minuten währenden Klangwelt emotionaler
Expressivität.43
Seine Diskussion der Postmoderne, die durch Pluralität gekennzeichnet ist, widmet sich
jedoch der Legitimation der Popmusik: Die postmoderne Musik, der die Vielfalt
verschiedener Genres unterzuordnen sei, wird nun paradoxerweise mit der populären
Musik gleichgesetzt. Die Legitimation der populären Musik basiert bei Mischke auf dem
nichtelitären und nichtexklusiven Aspekt der Postmoderne.
Die Debatte um die Postmoderne innerhalb der Popmusikforschung richtet sich somit
gegen die etablierte Historische Musikwissenschaft und ihre moderne Auffassung der
Musik als Kunstmusik. Es handelt sich dabei um einen Diskurs der Legitimation
des Gegenstandsbereichs, der in der Musikforschung der Moderne unberührt
blieb.
Einige Aufsätze, die im Bereich der Popmusikforschung offensichtlich die Postmoderne
zum Zweck der Legitimation der populären Musik diskutieren, stützen sich auf den
soziologisch-kulturellen Diskurs der Postmoderne, in dem die Postmoderne als Ersetzung
von Hochkultur durch warenästhetische Trivial- bzw. Massenkultur gekennzeichnet wird.
Insbesondere übt ein amerikanischer Literaturwissenschaftler, Fredric Jameson, einen
großen Einfluss auf die Debatte um die Postmoderne in der Popmusikforschung
aus.
Jameson benutzt den Begriff »Spätkapitalismus« für seine Definition der
Postmoderne. Er definiert die Postmoderne als die kulturelle Dominante des
Spätkapitalismus. Seine eigene Periodisierung der Kulturentwickelung in »Realismus«,
»Moderne« und »Postmoderne« wird von Mandels dreistufigem Modell
bestätigt.44
Fredric Jameson zufolge hat die postmoderne Kultur durch den Wandel der Gesellschaft die
ästhetische, politische Radikalität des Modernismus verloren. In seiner Schrift »Postmoderne
– zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus«, die die neomarxistische Annäherung zur
Postmoderne behandelt, widerspricht er den traditionellen marxistischen Analysen über
den Modernismus, dessen dekadenter Ästhetizismus als redaktionär kritisiert wurde. Nach
Jameson ist der Modernismus nicht nur die Negierung der kapitalistischen Kultur, sondern
ein politischer Umsturz der falschen bürgerlichen Logik.
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Die postmoderne Kultur zeichnet sich nach Jameson durch einen ästhetischen
Popularismus,45
Jameson, F., Postmoderne – Zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus, in: Huyssen, A. /
Scherpe, K. R. (Hrsg.), Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels, Reinbek: Rowohlt,
1993, S. 45–102, hier: S. 46.
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eine neue Oberflächlichkeit (nach dem Verlust der Tiefendimension), den Verlust
von Historizität, eine völlig neue, emotionale Grundstimmung und eine
fundamentale Abhängigkeit der genannten Phänomene von einer völlig neuen
Technologie46
aus: Als Symptome dafür führt er beispielsweise das Schwinden des
Affekts,47 Euphorie und
Selbstzerstörung,48 das Schwinden
der kritischen Distanz49
etc. an.
In dieser postmodernen Kultur wird Jameson zufolge »die Autonomie« oder »die
relative Autonomie« der Kultur, nach der in der Moderne verlangt wurde, durch
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