Nach meiner Ansicht ist die deutsche musikwissenschaftliche Interpretation des
Phänomens »musikalische Postmoderne« zu hinterfragen: Dahlhaus’ von den
Begriffen »Beziehung« und »Beziehungslosigkeit« ausgehende Argumentation, die
Bezug auf die »bestimmte Negation« postmoderner Musik in Form einer Abkehr
etablierter E-Musik nimmt, verbleibt im Diskurs deutscher Musikwissenschaft.
Es stellt sich die Frage, ob die deutsche musikwissenschaftliche Interpretation
der »bestimmten Negation« vermeintlich Postmoderner Musik stichhaltig ist.
Bezieht sich die der musikalischen Postmoderne zugesprochene »bestimmte
Negation« tatsächlich nur auf gewisse Erscheinungen der E-Musik? Wird ein
»post« nicht zu simplifizierend im Sinne von »anti« benutzt? Oder wird ein im
Wesentlichen globales, kulturelles Phänomen wie das der Postmoderne, das in enger
Beziehung zur Alltagskultur und U-Musik steht, in dieser raumzeitlich lokalisierten
stark eingeschränkten, historisch-musikwissenschaftlichen Interpretation nicht
provinzialisiert?
7.3. Die Debatte um Postmoderne in der PopmusikforschungDie Auffassung der Postmoderne als Stilbegriff findet man auch im Bereich der populären Musik. Beispielsweise wird die Musik von John Zorn mit ihrer offenen Form und ihrer speziellen Kompositionstechnik als neuer, postmodern zu bezeichnender Stil aufgefasst. Aber die im Rahmen der Popmusikforschung stattfindende Diskussion über die Postmoderne zeigt meistens einen anderen Aspekt als diejenige in der Historischen Musikwissenschaft: Postmoderne Musik als Stilbegriff in der Popmusikforschung beinhaltet die Kritik an dem die moderne Kunst legitimierenden, ästhetisch-wissenschaftlichen modernen Bewusstsein selbst. Daher erhält die Gattung der populären Musik selbst den Titel der postmodernen Musik als Stilbegriff. Jörg Mischke, der in Deutschland die Diskussion um die postmoderne Musik in Bezug auf die populäre Musik durchführt41
Es sind ganz offensichtlich nicht die aus der jahrhundertlangen künstlerischen Materialentwicklung hervorgehenden Meisterleistungen, [...], sondern neue, einfache und überschaubar wirkende Phänomene - Lieder und Songs. |