- 32 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Fächer haben sich allesamt schwer getan, sich in dieser neuen Umgebung zu formieren und ihr Selbstverständnis zu arti­kulieren.

Das gilt für Musikpädagogik im Blick auf den Schüler wie auf das Selbstverständnis des Lehrers und in bezug auf den zu ver­mittelnden Gegenstand. Noch ist nicht abzusehen, ob jene Meta­morphose des Schülers vom Störfaktor zum Kommunikationsathleten politisch wie pädagogisch zu vertreten ist. Noch ist nicht aus­zumachen, wie sich die kommende Lehrergeneration zwischen so divergierenden Rollenerwartungen wie der vom Sozialisationsagenten einerseits, dem Leitbild des Lehrers als humaner Instanz anderer­seits einrichten kann und will.

Die Sache Musik allerdings scheint die Stolperfahrt durch das Zerrspiegelkabinett unbeschadet über­standen zu haben, wenn sie heute – von breitem Konsens getragen – wieder in ihrer Komplexität und Fülle, und eben darin auch in ihrer kulturpolitischen wie musikpädagogischen Bedeutung gesehen wird. Als Medium von Mitteilung und Ausdruck ermöglicht Musik den Aus­tausch von Innen und Außen, die Erfahrung des Subjekts mit seinen Mitmenschen und – im weitesten Sinne – von Welt; im Austausch mit der Klangwelt eröffnet sich dem Menschen zugleich die Chance, eige­ne Bereicherung zu erfahren, sich seiner selbst (ästhetisch) zu vergewissern. Als Medium von Erkenntnis leistet Musik einen Beitrag zum Weltverstehen, der weder durch andere künstlerische Aussage­formen noch durch wissenschaftliches Erkennen zu ersetzen ist. Als geschichtliches Phänomen fundiert Musik die Einsicht in die histo­rische Bedingtheit und in die Wandelbarkeit künstlerischer Aussagen; die Geschichte von Musik fördert aber auch die Erkenntnis, daß Erreichtes verlorengehen und Überwundenes wieder hervorbrechen kann. Als gesellschaftliches Phänomen ist Musik in ein Geflecht von Strukturen, von Funktionen und Mechanismen eingebunden, die ihrerseits einem geschichtlichen Wandel unterliegen. Erst in ihrer Gesamtheit ergeben diese vier Aspekte eine ange­messene Vorstellung des komplexen Verhältnisses zwischen dem Menschen und dem Gegenstand Musik.

Wenn es eine der vordringlichen Aufgaben von Pädagogik ist, zwi­schen dem Menschen und den Gegenständen seiner Welt zu vermitteln; wenn der Gegenstand Musik zugleich vielfach dimensioniert ist, inso­fern er Ausdruck, Erkenntnisweise, geschichtliche Gegebenheit und soziale Tatsache ist; wenn schließlich der Mensch der Musik bedarf, wie er andererseits vor ihren ideologischen und ökonomischen Impli­kationen in Schutz genommen werden muß – dann ist es Aufgabe von Musikerziehung in der allgemeinbildenden Schule, zwischen den viel­fältigen Wirkungs  und Erscheinungsformen von Musik und dem Schüler zu vermitteln. Vermittlung bezeichnet hier die Anbahnung von Erfah­rung, Erkenntnis und kritischem Urteil in gestaltendem, nachgestal­tendem und reflektierendem Umgang mit Musik.


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