Nicht Musik ist auf die Schule angewiesen, sondern die Schule bedarf der Musik. Dabei kann es dem Politiker nicht gleichgültig sein, ob die Sache Musik in solcher Aspektvielfalt oder aber in perspektivischer Verkürzung in ein Konzept von Allgemeinbildung eingeht. Fortschritt und Tradition, Theorie und Praxis, Denken und Handeln, Wissenschaft und Kunst, ratio und emotio, Individuum und Gesellschaft! Der Gegenstand Musik selbst entlarvt gängige Scheinalternativen und erhellt in exemplarischer Weise – und darin wohl politisch wie pädagogisch gleichermaßen relevant –, daß wir in und mit Spannungen, gegebenenfalls auch mit Widersprüchen leben müssen, die sich nicht ungestraft nach der einen oder anderen Seite auflösen lassen. Es gehört zu den Untugenden politischen wie pädagogischen Engagements, das Vergnügen an einer Sache zum Argument gegen eine andere werden zu lassen. So wäre es schlecht bestellt um den Musikunterricht an der allgemeinbildenden Schule – in welcher Schulstufe auch immer –, wenn sich die neuerdings wieder ausgegebene Parole „Frischwärts!“ zur Opinion générale mauserte. Auch die beste Absicht, z. B. dem eklatanten Musiklehrermangel Abhilfe zu schaffen, rechtfertigt keine Bärendienste. Angemessen dagegen erscheint ein Konzept, das von der doppelten Maxime ausgeht: Es ist eine Lust, sich musikalisch auszudrücken, und es ist eine Lust, in und über Musik zu denken. Lust solcher Art aber ist lernbar. Politik und Pädagogik würden sich in einem entscheidenden Punkt treffen, wenn sie für den Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen postulierten, daß wir dem Schüler dieses nicht ersparen und jenes nicht vorenthalten dürfen.