Romanze
in Moll
Zu Op. 11, Nr. 1 von Clara Wieck
Die
Romanze hat eine lange und vielseitige Tradition und ist vor allem
als literarische Form nicht zuletzt durch Goethes Der König
in Thule oder Heideröslein bekannt geworden. Lieder
dieser Art erzählen – wie die Beispiele zeigen –
eine Liebesgeschichte, als deren symbolischer Ausdruck die Romanze
gilt. In den Vertonungen von Carl Friedrich Zelter und Heinrich
Werner wurden sie zu Volksliedern, die in kaum einem bürgerlichen
Liederbuch gefehlt haben.
Die
instrumentale Romanze als romantisches Charakterstück ist von
dieser vokalen Tradition kaum zu trennen, d. h. die ausdrucksstarke
Melodie dominiert und wird vielfach als menschliche Stimme mit
humanen Regungen interpretiert. In dieser Hinsicht ist die Romanze
den Liedern ohne Worte verwandt, die als Instrumentalstücke
ebenfalls von der Vorstellung des Singens und dem Sprachcharakter der
musikalischen Hauptgedanken bestimmt sind. So behauptet Robert
Schumann von Mendelssohns Duetto op. 38, Nr. 6, es stehe, wie
auch die anderen Lieder ohne Worte op. 38, „zwischen
Gemälde und Gedicht“. Darüber hinaus attestiert er
dem Duett, in dem zwei Hauptstimmen miteinander korrespondieren,
poetische Qualitäten, die er „ungeziert“
auszudrücken wünscht1
1
Robert Schumann, Gesammelte Schriften über Musik und
Musiker, hg. von Heinrich Simon, Leipzig 1888, Bd. 2 (1837), S.
68.
|
:
„Liebende sind es aber, die hier reden, leise, traulich und
sicher.“ Die in dieser Formulierung zutagetretende Vorstellung
der Identität von Themen und Personen sowie die Interpretation
der Satztechnik als Bestandteil des affektiven Gehaltes sind typisch
für das Kunstverständnis Schumanns. Als poetische Ideen
rufen Überschriften wie Duett und Romanze die Assoziation einer
nahen persönlichen Beziehung hervor, und der Begriff ‚Lied‘
verweist, ähnlich wie der der Romanze, auf menschlichen Gesang.
Daher ist es der Erwähnung wert, daß Mendelssohns Lieder
ohne Worte in Frankreich als Romances sans paroles
bezeichnet wurden.
Es ist
naheliegend, daß Clara Wieck mit Schumanns poetischen
Phantasien und deren kompositorischem Niederschlag vertraut war und
sich entsprechende ästhetische Vorstellungen zu eigen machte.
Die Klavierromanze erschien ihr in dieser Hinsicht ausdrucksstark und
für ihre frühen Kompositionsversuche geeignet,
|