- 69 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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obwohl sie in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts ästhetisch bereits ein wenig in Verruf geraten und als eher oberflächliche Spielmusik abgewertet worden war. Dennoch hat sie ebenso wie ihr späterer Ehemann von dieser kleinen, intimen Form Gebrauch gemacht. Schumanns Einstellung scheint allerdings ambivalent gewesen zu sein, wie einige seiner Rezensionen zeigen. Einerseits kritisierte er die Romanzen op. 14 von Jakob Rosenhain2
2 Nach Wolfgang Boetticher, Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen, Berlin 1942, S. 315.

als „unglückliche Vermehrungen der Salonmusik“, andererseits jedoch griff er selbst wiederholt auf diese Form zurück, z. B. im Zyklus op. 28, im Faschingsschwank und etlichen anderen Werken späterer Schaffensphasen.3
3 Walter Best, Die Romanzen Robert Schumanns, Frankfurt a. M. usw. 1988.

Offenbar bot sich gerade der soziale und affektive Gehalt der Romanze dazu an, kompositorische Einfälle poetisch zu legitimieren und energetische Qualitäten des Tonsatzes – auf die für ihn typische Weise – mit allerlei versteckten Hinweisen als psychische Regungen zu erklären. Bei der Besprechung der drei Romanzen op. 14 von William Sterndale Bennett im Jahr 1838 hob er Heftigkeit und „Leidenschaftlichkeit“ zweier Stücke lobend hervor und gab damit Einblick in ästhetische Deutungsmuster, wie man sie von Florestan oder Eusebius bereits gewöhnt war.


Aus dieser Sicht erscheint es nicht verwunderlich, wenn die Romanze sowohl von Clara Wieck als auch von Robert Schumann nicht nur als poetisierende Instrumentalform mit begrenztem Umfang, vergleichbar dem Intermezzo oder der Ballade, sondern auch als komprimierter Rahmen für eine nach ästhetischem Ausdruck verlangende Gefühlswelt genutzt wurde. Besonders in den beiden schwierigen Jahren zwischen 1838 und 1840, bis endlich die Eheschließung des Paares gegen den heftigen Widerstand des Vaters Friedrich Wieck auf dem Gerichtsweg durchgesetzt werden konnte, war die Romanze eine Möglichkeit gegenseitigen Austausches und – vor allem für Clara Wieck – auch künstlerischer Ausdruck ihrer Zuneigung. Robert Schumann drückte seine zunehmende Neigung und schließlich das Eingeständnis seiner Liebe – etwa als Aveu im Carnaval op. 9 – weitaus vielfältiger und phantasievoller aus. Clara erscheint z. B. als Zilia und Chiarina oder ihre Person wird durch Zitate beschworen, wie es bei den Impromptus op. 5 der Fall ist, die aus Variationen über ein Thema von Clara Wieck bestehen. Angesichts der Gefährdung der Beziehung waren Widmungen besonders wichtig, die der Öffentlichkeit unverschlüsselt und für alle Zeiten mitteilten, wie stark sich beide miteinander verbunden fühlten. So ist z. B. eines der bedeutendsten Klavierwerke Schumanns, die in der Brautzeit entstandene Sonate fis-Moll op. 11, Clara Wieck zugeeignet. Zur Hochzeit schenkte der Komponist seiner Braut den Liederkreis op. 25, den er mit Myrthen überschrieb. Übereinstimmung in ästhetischen Fragen wie in der persönlichen Beziehung dokumentiert auch der 1840 entstandene Rückert-Zyklus op. 37 mit dem bezeichnenden Titel Liebesfrühling, der drei von Clara komponierte Lieder enthält. Das Verhältnis der beiden zueinander bedurfte also der Stabilisierung und Bestätigung


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